Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Kunstmalers, ein gewisser Vaufrylard und Freund von Bridoux, der einen Witz nach dem anderen riss. Nachdem sie rund hundert Zeichnungen studiert, einen Kostenvoranschlag erbeten und eine zweite Reise nach Rouen gemacht hatten, entschied sich Charles für ein Mausoleum, dessen zwei Hauptseiten die Darstellung eines »Genius mit erloschener Fackel« schmückte.
Was die Inschrift betraf, so dünkte Homais nichts so schön wie: Sta viator , und dabei blieb er; er zermarterte sich das Hirn; er wiederholte in einem fort: Sta viator … Endlich fand er: amabilem conjugem calcas! , was gebilligt wurde.
Seltsam ist, dass Bovary, obwohl er in einem fort an Emma dachte, sie vergaß; und voll des Kummers spürte er, wie dieses Bild seinem Gedächtnis entglitt, trotz aller Anstrengung, es festzuhalten. Jede Nacht freilich träumte er von ihr; stets war es derselbe Traum: er trat zu ihr; doch wenn er sie umfangen wollte, zerfiel sie in seinen Armen zu Moder.
Man sah ihn eine Woche lang abends in der Kirche. Monsieur Bournisien besuchte ihn sogar zwei- oder dreimal, dann gab er auf. Sowieso neigte der gute Mann immer mehr zu Intoleranz, zu Fanatismus, sagte Homais; er donnerte gegen den Geist der Zeit und versäumte nicht, alle vierzehn Tage in der Predigt den Todeskampf Voltaires zu schildern, der seine Exkremente fressend starb, wie jeder weiß.
Obwohl Bovary äußerst sparsam lebte, war er weit davon entfernt, seine alten Schulden abtragen zu können. Lheureux weigerte sich, irgendeinen Wechsel zu prolongieren. Die Pfändung stand unmittelbar bevor. Da wandte er sich an seine Mutter, die einwilligte, dass er eine Hypothek auf ihren Besitz aufnahm, ihm zugleich aber ellenlange Vorwürfe gegen Emma schickte; und als Gegenleistung für das erbrachte Opfer wollte sie einen Shawl, der Félicités Raubzug entgangen war. Charles weigerte sich. Sie schieden im Streit.
Sie machte die ersten Schritte zur Versöhnung und schlug vor, die Kleine zu sich zu nehmen, als Hilfe in ihrem Haus. Charles willigte ein. Doch als der Abschied nahte, verließ ihn jeder Mut. Da war der Bruch endgültig, unwiderruflich.
Während seine Bindungen zerrissen, klammerte er sich stärker an die Liebe zu seinem Kind. Doch Berthe machte ihm Sorgen; sie hustete manchmal und hatte rote Flecken auf den Wangen.
Ihm gegenüber protzte, blühend und vergnügt, die Familie des Apothekers, dem alles auf der Welt Zufriedenheit bescherte. Napoléon half im Laboratorium, Athalie stickte ihm eine griechische Mütze, Irma schnitt runde Papierdeckel für die Marmeladen, und Franklin leierte wie am Schnürchen das Einmaleins des Pythagoras. Er war der zufriedenste aller Väter, der glücklichste aller Männer.
Irrtum! ein heimlicher Ehrgeiz nagte an ihm: Homais wollte das Kreuz. Verdienste fehlten ihm nicht:
1. sich während der Cholera durch grenzenlose Opferbereitschaft ausgezeichnet zu haben; 2. mehrere dem Allgemeinwohl dienende Werke veröffentlicht zu haben, noch dazu auf meine eigenen Kosten, wie zum Beispiel … (und er nannte seine Abhandlung des Titels: Über den Cidre, seine Herstellung und seine Auswirkungen ; außerdem noch Untersuchungen zur Woll-Laus, welche er der Akademie geschickt hatte; sein statistisches Opus und sogar seine Examensarbeit in Pharmazeutik), ganz zu schweigen davon, dass ich Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften bin (er war es nur in einer).
»Kurzum«, rief er, eine Pirouette drehend, »und sei’s nur, weil ich mich bei Feuersbrünsten auszeichne!«
Da zog es Homais zur Staatsgewalt. Er leistete dem Herrn Präfekten bei den Wahlen ganz im stillen gute Dienste. Kurzum, er verkaufte, er prostituierte sich. Er richtete sogar ein Bittgesuch an den Herrscher, in dem er flehte, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen ; er titulierte ihn als unser guter König und verglich ihn mit Heinrich IV.
Und jeden Morgen stürzte sich der Pharmazeut auf die Zeitung, um darin seine Ernennung zu finden; sie kam nicht. Als er es zuletzt kaum mehr aushielt, ließ er in seinem Garten ein Rasenbeet anlegen, das den Stern der Ehrenlegion darstellte, mitsamt zwei kleinen Graswuscheln, die oben aus dem Scheitel sprossen und das Band nachahmten. Er spazierte mit verschränkten Armen rundherum und grübelte über die Torheit der Regierung und den Undank der Menschen.
Aus Ehrfurcht oder aus einer Art von sinnlichem Genuss, der ihn langsam vorgehen ließ bei seinen Nachforschungen, hatte Charles das Geheimfach eines Palisanderschreibtischs,
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