Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
was Homais insgeheim unschicklich fand. Er stellte ebenso fest, dass Binet nicht erschienen war, dass sich Tuvache nach der Messe »verdrückt hatte« und dass Théodore, der Diener des Notars, einen blauen Rock trug, »als ob kein schwarzer Rock aufzutreiben wäre, wo es nun mal so Brauch ist, Teufel auch!« Und um seine Beobachtungen weiterzugeben, ging er von einer Gruppe zur andern. Man beklagte Emmas Tod, und vor allem Lheureux, der nicht versäumt hatte, am Begräbnis teilzunehmen.
»Die arme kleine Frau! wie schmerzlich für ihren Mann!«
Der Pharmazeut erklärte:
»Ohne mich, wissen Sie, hätte er auf irgendeine unselige Weise Hand an sich gelegt!«
»Eine so liebe Person! Wenn ich daran denke, letzten Samstag noch habe ich sie in meinem Laden gesehen!«
»Mir fehlte die Muße«, sagte Homais, »ein paar Worte vorzubereiten, die ich ihr übers Grab gestreut hätte.«
Wieder zu Hause, entkleidete sich Charles, und Vater Rouault schlüpfte in seinen blauen Kittel. Der war neu, und weil er sich auf dem Herweg oft mit den Ärmeln die Augen gewischt hatte, war sein Gesicht verfärbt; und die Spur seiner Tränen grub Rillen in den Staub, der es verschmutzte.
Die alte Madame Bovary war bei ihnen. Alle drei schwiegen. Endlich seufzte der gute Mann:
»Erinnern Sie sich, mein Freund, dass ich einmal nach Tostes gekommen bin, kurz nachdem Sie Ihre erste Verewigte verloren hatten. Ich hab Sie damals getröstet! Ich wusste, was sagen; aber heut …«
Dann, nach einem langen Aufstöhnen, das seine ganze Brust hob:
»Ach! Das ist mein Ende, verstehen Sie! Mir ist meine Frau gestorben …, hernach mein Sohn …, und jetzt auch noch meine Tochter!«
Er wollte auf der Stelle zurück nach Les Bertaux und sagte, er könne nicht schlafen in diesem Haus. Nicht einmal seine Enkelin mochte er sehen.
»Nein! nein! das würd mich zu sehr grämen. Bloß geben Sie ihr einen Kuss von mir! Adieu! … Sie sind ein guter Junge! Und das hier werd ich Ihnen nie vergessen«, sagte er, sich auf den Schenkel klopfend, »keine Angst! Ihre Pute werden Sie immer bekommen.«
Doch als er oben auf der Anhöhe war, wandte er sich um, wie er sich einst umgewandt hatte auf der Straße nach Saint-Victor, beim Abschied von ihr. Die Fenster im Dorf loderten unter den schrägen Strahlen der Sonne, die auf den Wiesen versank. Er hielt seine Hand über die Augen; und am Horizont erblickte er ein von Mauern umfriedetes Anwesen, wo Bäume hier und da schwarze Grüppchen bildeten zwischen weißem Stein, dann setzte er seinen Weg in gemächlichem Trab fort, denn sein Pferdchen lahmte.
Charles und seine Mutter saßen am Abend trotz aller Müdigkeit lange beisammen und plauderten. Sie unterhielten sich über frühere Tage und über die Zukunft. Sie wollte nach Yonville ziehen, ihm den Haushalt führen, nie mehr würden sie auseinandergehen. Sie war geschickt und zärtlich, freute sich im geheimen, wieder Besitz zu ergreifen von einer Zuneigung, die ihr seit so vielen Jahren entglitt. Es schlug Mitternacht. Das Dorf war still wie gewöhnlich, und Charles, der wach lag, dachte noch immer an sie.
Rodolphe, der zur Zerstreuung den ganzen Tag kreuz und quer durch den Wald geritten war, schlief friedlich in seinem Schloss; und Léon, dort in der Ferne, schlief ebenfalls.
Es gab noch einen, der um diese Stunde nicht schlief.
Über der Grube, zwischen den Tannen, kniete ein weinendes Kind, und seine von Schluchzern zerrissene Brust hob und senkte sich im Dunkel unter dem Druck einer maßlosen Sehnsucht, süßer als das Mondlicht und unergründlicher als die Nacht. Plötzlich quietschte das Tor. Es war Lestiboudois; er kam seinen Spaten holen, den er am Nachmittag vergessen hatte. Er sah Justin über die Mauer klettern und wusste nun Bescheid über den Halunken, der ihm seine Kartoffeln stahl.
Anmerkungen
XI.
Charles holte am nächsten Tag die Kleine zurück. Sie fragte nach ihrer Mama. Man antwortete, sie sei verreist, sie werde ihr Spielsachen mitbringen. Berthe sprach noch ein paarmal von ihr; dann, mit der Zeit, kam sie ihr aus dem Sinn. Die Fröhlichkeit des Kindes schmerzte Bovary, und er musste die unerträglichen Trostsprüche des Apothekers aushalten.
Die Geldgeschichten gingen bald von neuem los, weil Monsieur Lheureux wieder seinen Freund Vinçart aufstachelte, und Charles verpflichtete sich für horrende Summen; denn nie und nimmer wollte er zulassen, dass auch nur ein Möbelstück verkauft würde, das ihr gehört hatte. Seine Mutter
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