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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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sich im Sterben gewähnt und nach der Kommunion verlangt; und während man in ihrem Zimmer Vorbereitungen traf für das Sakrament, die mit Säften überladene Kommode zum Altar arrangierte und Félicité Dahlienblüten auf den Boden streute, spürte Emma, wie etwas Starkes über sie kam, das sie von ihren Schmerzen befreite, von jeder Wahrnehmung, jedem Gefühl. Ihr leicht gewordener Körper war keine Last mehr, ein anderes Leben begann; sie meinte, ihr zu Gott emporsteigendes Wesen …« (Sie sehen, in welcher Sprache Monsieur Flaubert von religiösen Dingen spricht.) »Sie meinte, ihr zu Gott emporsteigendes Wesen müsse in dieser Liebe vergehen wie glimmender Weihrauch, der sich auflöst in Dunst. Die Bettlaken wurden mit Weihwasser besprengt; der Priester nahm die weiße Hostie aus dem Abendmahlskelch; und halb ohnmächtig vor himmlischer Freude öffnete sie die Lippen, um den Leib des Herrn zu empfangen, der sich ihr darbot.«
    Ich bitte den Herrn Staatsanwalt um Verzeihung, ich bitte das Gericht um Verzeihung, ich unterbreche diese Passage, weil ich sagen muss, dass hier der Autor spricht, und weil ich Sie darauf aufmerksam machen muss, mit welchen Worten er das Mysterium der Kommunion ausdrückt. Bevor ich weiterlese, muss das Gericht den literarischen Wert begreifen, der in diesem Gemälde liegt; ich muss dringend hinweisen auf diese Ausdrücke, die dem Autor gehören:
    »Und halb ohnmächtig vor himmlischer Freude öffnete sie die Lippen, um den Leib des Herrn zu empfangen, der sich ihr darbot. Die Vorhänge ihres Alkovens bauschten sich weich und wolkig um sie, und die Strahlen der zwei auf der Kommode brennenden Kerzen dünkten sie funkelnde Glorienscheine. Da ließ sie den Kopf zurücksinken, glaubte in den Sphären den Klang seraphischer Harfen zu vernehmen und, vor azurblauem Himmel auf goldenem Thron, umringt von Heiligen mit grünen Palmwedeln in Händen, Gottvater zu sehen in seiner glanzvollen Herrlichkeit, der ein Zeichen gab und Engel mit Flammenflügeln herniedersandte auf Erden, um sie fortzutragen in ihren Armen.«
    Er schreibt weiter:
    »Diese prächtige Vision blieb ihr im Gedächtnis als das Schönste, was man erträumen konnte; darum mühte sie sich nunmehr, die Empfindung festzuhalten, die immerhin andauerte, zwar weniger ausschließlich, doch mit ebenso tiefer Beglückung. Ihre vom Stolz wie geräderte Seele fand zuletzt Ruhe in christlicher Demut; und Emma genoss das Vergnügen, schwach zu sein, beobachtete an sich selbst die Zerstörung des Willens, welche der einfallenden Gnade weit die Tore öffnen sollte. Es gab also anstelle des Glücks größere Seligkeiten, eine andere Liebe über all den Liebeleien, ohne Brüche und ohne Ende, eine, die wachsen würde von Ewigkeit zu Ewigkeit! Sie erspähte zwischen den Illusionen ihrer Hoffnung einen Zustand der Reinheit, über der Erde schwebend und verschmelzend mit dem Himmel, nach dem sie lechzte. Sie wollte eine Heilige werden. Sie kaufte Rosenkränze, sie trug Amulette; sie wollte in ihrem Zimmer, am Kopfende des Bettes, einen smaragdgefassten Reliquienschrein, um ihn jeden Abend zu küssen.«
    Das sind religiöse Gefühle! Und wenn Sie so freundlich wären, einen Augenblick beim Hauptgedanken des Autors zu verweilen, dann möchte ich Sie bitten, umzublättern und die nächsten drei Zeilen des zweiten Absatzes zu lesen:
    »Sie ereiferte sich gegen die Glaubensvorschriften; die Anmaßung der polemischen Werke missfiel ihr wegen der Verbissenheit, mit der Leute verfolgt wurden, die sie nicht kannte; und die mit Religion verbrämten weltlichen Geschichten dünkten sie von solcher Unkenntnis der Welt, dass sie ihretwegen unmerklich von den Wahrheiten abrückte, deren Beweis sie erwartete.«
    Das ist die Sprache von Monsieur Flaubert. Bitte lassen Sie uns nun zu einer anderen Szene kommen, zur Szene der Letzten Ölung. Ach! Herr Staatsanwalt, wie sehr haben Sie sich geirrt, als Sie, bei den ersten Worten verweilend, meinen Mandanten beschuldigten, Heiliges und Profanes zu vermischen, obwohl er doch nur die schönen Formulierungen der Letzten Ölung wiedergegeben hat, wenn der Priester alle unsere Sinnesorgane berührt und wenn er, dem Rituale folgend, sagt: Per istam unctionem, et suam piissimam misericordiam, indulgeat tibi Dominus quidquid deliquisti .
    Sie haben gesagt: An die heiligen Dinge darf man nicht rühren. Mit welchem Recht entstellen Sie diese heiligen Worte: »Gott in seinem heiligen Erbarmen verzeihe dir alles, was du gesündigt

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