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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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die Sünde hinzugefügt haben, welche jedes dieser Organe begangen hatte. Wir sind nicht die ersten, die diesen Weg beschritten haben. Monsieur Sainte-Beuve hat in einem Buch, das Sie kennen, auch eine Szene mit einer Letzten Ölung geschrieben, und er drückt sich folgendermaßen aus:
    »Oh! ja, auf diese Augen zuerst, als die edelsten und lebendigsten aller Sinne; auf diese Augen, für das, was sie gesehen, betrachtet haben an Zärtlichem, an allzu Hinterhältigem in anderen Augen, an allzu Tödlichem; für das, was sie gelesen und immer wieder gelesen haben an Fesselndem und allzu Geliebtem; für das, was sie vergossen haben an vergeblichen Tränen über unbeständige Güter und über untreue Geschöpfe; für den Schlaf, den sie so oft vergaßen, abends, beim Grübeln darüber!
    Auf das Gehör auch, für das, was es vernommen hat und sich sagen ließ an allzu Süßem, an allzu Schmeichlerischem und Betörendem; für diesen Klang, den das Ohr langsam den trügerischen Worten entzieht; für das, was es an verborgenem Honig daraus trinkt!
    Auf diesen Geruch schließlich, für die allzu feinen und wollüstigen Düfte der Frühlingsabende tief in den Wäldern, für die am Morgen und alle Tage empfangenen Blumen, eingeatmet mit so viel Wohlgefallen!
    Auf die Lippen, für das, was sie an allzu Verworrenem oder allzu freimütig Gestandenem ausgesprochen haben; für das, was sie in manchen Augenblicken nicht geantwortet oder was sie manchen Personen nicht enthüllt haben, für das, was sie in der Einsamkeit an allzu Melodischem und allzu Tränenerfülltem gesungen haben; für ihr undeutliches Flüstern, für ihr Schweigen!
    Auf den Hals anstelle der Brust, für die Glut des Begehrens gemäß dem althergebrachten Ausdruck ( propter ardorem libidinis ); ja, für den Schmerz der Leiden, der Rivalitäten, für das Zuviel an Angst der menschlichen Zärtlichkeiten, für die Tränen, die eine stumme Kehle ersticken, für alles, was ein Herz schlagen lässt oder an ihm zehrt!
    Auf die Hände auch, weil sie eine Hand gedrückt haben, mit der kein heiliges Band sie vereinte; weil sie allzu heiße Tränen auffingen; weil sie vielleicht, ohne sie zu beenden, eine unerlaubte Antwort zu schreiben anfingen!
    Auf die Füße, weil sie nicht geflohen sind, weil sie den langen einsamen Spaziergängen Genüge leisteten, weil sie nicht frühzeitig ermüdeten bei den Gesprächen, die unaufhörlich neu begannen.«
    Das haben Sie nicht gerichtlich verfolgt. Wir sehen hier zwei Männer, von denen jeder in seinem Bereich dieselbe Sache hergenommen und jedem Sinnesorgan eine Sünde, eine Schuld beigefügt hat. Hätten Sie ihnen verbieten wollen, die Worte des Rituales wiederzugeben: Quidquid deliquisti per oculos, per aurem usw.?
    Monsieur Flaubert hat getan, was Monsieur Sainte-Beuve getan hat, ohne deshalb ein Plagiator zu sein. Er hat das Recht genutzt, das jedem Schriftsteller eigen ist, dem, was ein anderer Schriftsteller gesagt hat, etwas hinzuzufügen, ein Thema zu ergänzen. Die letzte Szene des Romans Madame Bovary ist, wie die ganze diesbezügliche Studie, anhand der religiösen Dokumente verfasst worden. Monsieur Flaubert hat die Szene der Letzten Ölung anhand eines Buches verfasst, welches ein befreundeter, ehrwürdiger Geistlicher ihm geliehen hatte, der diese Szene gelesen hat, der von ihr zu Tränen gerührt war und dem nicht in den Sinn kam, dass die Herrlichkeit der Religion durch sie beleidigt werden könnte. Dieses Buch trägt den Titel: Historische, dogmatische, moralische, liturgische und kanonische Erklärung des Katechismus, mitsamt den Antworten auf die den Wissenschaften entnommenen Einwände gegen die Religion, von Herrn Abbé Ambroise Guillois, Pfarrer von Notre-Dame-du-Pré, in Le Mans, 6. Auflage usw., das Werk wurde genehmigt durch Seine Eminenz Kardinal Gousset sowie die Bischöfe und Erzbischöfe von Le Mans, Tours, Bordeaux, Köln usw., Band 3, gedruckt in Le Mans von Charles Monnoyer, 1851. In diesem Buch werden Sie nun, wie vorhin bei Bossuet, die Grundsätze und gewissermaßen den Text jener Stellen sehen, die der Herr Staatsanwalt inkriminiert. Jetzt zitiere ich nicht mehr Monsieur Sainte-Beuve, einen Künstler, einen literarischen Phantasten; hören Sie die Kirche selbst.
    »Die Letzte Ölung kann die Genesung des Körpers bewirken, wenn diese nützlich ist für den Ruhm Gottes …«, und der Priester sagt, das geschehe häufig. Nun also die Letzte Ölung:
    »Der Priester richtet eine kurze Ermahnung an den

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