Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Kranken, sofern dieser in der Lage ist, sie zu hören, um ihn bereit zu machen, das Sakrament, das er ihm spenden wird, würdig zu empfangen.
Der Priester nimmt anschließend die Salbungen an dem Kranken vor, mit dem Stilett oder mit der Kuppe seines rechten Daumens, den er jedesmal in das Siechenöl taucht. Diese Salbungen müssen insbesondere an den fünf Körperteilen vorgenommen werden, welche die Natur dem Menschen gegeben hat als Sinnesorgane, nämlich: an den Augen, an den Ohren, an den Nasenflügeln, am Mund und an den Händen.
Während der Priester die Salbungen vornimmt (wir sind Punkt für Punkt dem Rituale gefolgt, wir haben es nachgezeichnet), spricht er die dazugehörigen Worte.
An den Augen, auf den geschlossenen Lidern : Durch diese heilige Salbung und durch sein gütiges Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du gesündigt hast durch das Gesicht. Der Kranke muss in diesem Augenblick erneut alles verwünschen, was er gesündigt hat durch das Gesicht: so viel zudringliche Blicke, so viel verbrecherische Neugierden, so viel Lektüren, die in ihm eine Unzahl von Gedanken erweckten, welche im Widerspruch stehen zu Glaube und Sitten.«
Was hat Monsieur Flaubert getan? Er hat dem Priester, die beiden Teile zusammenfassend, in den Mund gelegt, was in seinen Gedanken und zugleich in den Gedanken des Kranken sein muss. Er hat schlicht und einfach nachgezeichnet.
» An den Ohren : Durch diese heilige Salbung und durch sein gütiges Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du gesündigt hast durch den Gehörsinn. Der Kranke muss in diesem Augenblick erneut alle Schuld verwünschen, die er auf sich geladen hat, indem er gern üble Nachreden, Verleumdungen, unanständige Worte, obszöne Lieder hörte.
An den Nasenflügeln : Durch diese heilige Salbung und durch sein reiches Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du gesündigt hast durch den Geruch. In diesem Augenblick muss der Kranke erneut alles verwünschen, was er gesündigt hat durch den Geruch, alles überfeinerte und wollüstige Streben nach Düften, alle Sinnlichkeiten, alles, was er eingeatmet hat an Gerüchen des Frevels. Am Mund, auf den Lippen : Durch diese heilige Salbung und durch sein reiches Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du gesündigt hast durch den Geschmackssinn und die Sprache. Der Kranke muss in diesem Augenblick erneut alles verwünschen, was er gesündigt hat, indem er Flüche und Gotteslästerungen ausstieß …, indem er mit Unmäßigkeit getrunken und gegessen hat … Auf den Händen : Durch diese heilige Salbung und durch sein reiches Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du gesündigt hast durch den Tastsinn. Der Kranke muss in diesem Augenblick erneut alle Diebereien, alle Ungerechtigkeiten verwünschen, die er auf sich geladen, alle mehr oder weniger verbrecherischen Freiheiten, die er sich herausgenommen hat … Priester empfangen die Salbung der Hände außen, denn innen haben sie sie bereits im Augenblick ihrer Weihe empfangen, und die anderen Kranken innen. Auf den Füßen : Durch diese heilige Salbung und durch sein reiches Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du gesündigt hast durch dein Gehen. Der Kranke muss in diesem Augenblick erneut alle Schritte verwünschen, die er auf den Wegen des Frevels getan hat, so viel schändliche Spaziergänge, so viel verbrecherische Begegnungen … Die Salbung der Füße erfolgt obenauf oder unten an der Sohle, wie es für den Kranken leidlicher ist, und auch nach den Gepflogenheiten der Diözese, in der man sich befindet. Am üblichsten scheint es zu sein, sie an den Fußsohlen vorzunehmen.«
Und schließlich an der Brust (Monsieur Sainte-Beuve hat alles genau nachgezeichnet, wir haben es nicht gemacht, weil es sich um die Brust einer Frau handelte). Propter ardorem libidinis usw.
» An der Brust : Durch diese heilige Salbung und durch sein reiches Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du gesündigt hast durch die Glut der Leidenschaften. Der Kranke muss in diesem Augenblick erneut alle schlechten Gedanken verwünschen, alles schlechte Begehren, dem er sich hingegeben, alle Hass- und Rachegefühle, die er in seinem Herzen genährt hat.«
Und wir könnten, dem Rituale folgend, noch von etwas anderem als der Brust sprechen, doch weiß Gott, welch heiligen Zorn wir bei der Staatsanwaltschaft entfacht haben würden, hätten wir von den Nieren gesprochen:
» An den Nieren (ad lumbos) : Durch diese heilige Salbung und durch sein reiches Erbarmen verzeihe dir Gott alles, was du
Weitere Kostenlose Bücher