Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
ist es:
» ÜBER DIE SÜNDE.
Und fragt mich nicht, ihr Christen, auf welche Weise sich die große Umwandlung unserer Vergnügungen in Qualen vollziehen wird; die Sache ist bewiesen durch die Heilige Schrift. Es ist der Wahrhaftige, der es sagt, es ist der Allmächtige, der es bewirkt. Und dennoch, wenn ihr das Wesen der Leidenschaften betrachtet, denen ihr euer Herz überlasst, werdet ihr leicht verstehen, dass sie zu einer unerträglichen Qual werden können. Sie haben alle in sich selbst grausamen Schmerz, Ekel, Bitterkeit. Sie haben alle eine Unendlichkeit, die sich erzürnt, weil sie nicht gestillt werden kann; was in ihnen alle Gemütsbewegungen vermischt, die zu etwas wie Raserei entarten, welche so schmerzhaft wie unsinnig ist. Die Liebe, wenn es mir erlaubt ist, sie auf dieser Kanzel zu nennen, hat ihre Unsicherheiten, ihre heftigen Stürme und ihre unentschlossenen Entschlossenheiten und die Hölle ihrer Eifersuchten.«
Und ein Stück weiter:
»Ach! was ist leichter als aus unseren Leidenschaften einen unerträglichen Schmerz unserer Sünden zu machen, indem man ihnen, wie es nur gerecht ist, das bisschen Süße nimmt, mit dem sie uns verführen, und ihnen nur die grausamen Unruhen und die Bitterkeit lässt, die sie im Überfluss besitzen? Unsere Sünden gegen uns, unsere Sünden an uns, unsere Sünden mitten in uns, bohrender Pfeil an unserer Brust, unerträgliche Last auf unserem Kopf, verzehrendes Gift in unseren Eingeweiden.«
Ist nicht alles, was Sie vorhin gehört haben, nur dazu da, Ihnen die Bitterkeiten der Leidenschaften zu zeigen? Ich überlasse Ihnen dieses Buch, das voll ist mit Zeichen, Flecken vom Daumen dieses wissbegierigen Mannes, der seine Gedanken aus ihm schöpfte. Und derjenige, der sich von einer solchen Quelle inspirieren ließ, der den Ehebruch mit den Worten beschrieb, die Sie eben gehört haben, der wird verfolgt wegen Verstoßes gegen die öffentliche und religiöse Moral!
Ein paar Zeilen noch über die sündige Frau , und Sie werden sehen, wie Monsieur Flaubert, als er die Glut malte, sich von seinem Vorbild inspirieren ließ:
»Doch bestraft für unseren Irrtum, ohne von ihm befreit zu sein, suchen wir in der Abwechslung ein Mittel gegen unseren Fehlgriff; wir irren von Gegenstand zu Gegenstand; und wenn es endlich einen gibt, der uns festhält, dann nicht, weil wir froh sind über unsere Wahl, sondern weil wir zufrieden sind mit unserer Unbeständigkeit.«
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»Alles erscheint ihr leer, falsch, ekelerregend an den Geschöpfen: weit davon entfernt, in ihnen den frühen Zauber wiederzufinden, gegen den ihr Herz sich einst mit so viel Mühe gewehrt hatte, sieht sie nur noch das Frivole, die Gefahr und die Eitelkeit.«
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»Ich spreche nicht von einer Bindung aus Leidenschaft; welche Angst, dass das Geheimnis ans Licht kommt! wieviel Maßhalten in Bezug auf Schicklichkeit und Ruhm! wie vielen Augen ausweichen! wie viele Überwacher täuschen! wie viele Rückschläge zu befürchten, was die Treue jener betrifft, die man sich als Helfer und Vertraute seiner Leidenschaft erkoren hat! welche Zurückweisungen vielleicht einstecken müssen von seiten desjenigen, dem man seine Ehre und seine Freiheit geopfert hat, und über den zu klagen man niemals wagen würde! Fügen Sie zu alledem noch jene grausamen Augenblicke hinzu, in denen die schwächer gewordene Leidenschaft uns Muße lässt, auf uns selbst zurückzufallen und die ganze Unwürdigkeit unseres Zustands zu empfinden; jene Augenblicke, in denen das Herz, geschaffen für dauerhaftere Vergnügungen, seiner eigenen Idole überdrüssig wird und seine Qual findet in seinem Ekel und in seiner Unbeständigkeit. Profane Welt! wenn das die Seligkeit ist, die du so rühmst, bedenke damit deine Anbeter; und strafe sie, indem du sie auf diese Weise glücklich machst, für den Glauben, den sie deinen Versprechungen so leichtfertig geschenkt haben.«
Lassen Sie mich Ihnen folgendes sagen: Wenn ein Mann in stillen Nächten über die Ursachen der Verführbarkeit der Frau nachgegrübelt hat; wenn er sie in der Erziehung gefunden hat und wenn er, um sie auszudrücken, seinen eigenen Beobachtungen misstrauend, sich mit den Quellen versorgte, die ich genannt habe; wenn er erst zur Feder gegriffen hat, nachdem er sich von den Gedanken Bossuets und Massillons inspirieren ließ, dann gestatten Sie mir zu fragen, ob es ein Wort gibt, um Ihnen meine Überraschung, meinen
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