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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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jeder Zeile seines Buches betont er die Enttäuschung, und anstatt mit etwas Anmutigem zu schließen, bemüht er sich, uns diese Frau zu zeigen, die nach der Verachtung, dem Im-Stich-gelassen-Werden, dem Ruin ihres Hauses im grauenvollsten Tod endet. Mit einem Wort, ich kann nur wiederholen, was ich zu Beginn meines Plädoyers gesagt habe: Monsieur Flaubert ist der Autor eines guten Buches, eines Buches, das Verführung zur Tugend ist, durch den Abscheu vor dem Laster.
    Nun komme ich zum Verstoß gegen die Religion. Dem Verstoß gegen die Religion, den Monsieur Flaubert begangen hat! Und wodurch, bitte schön? Der Herr Staatsanwalt hat gemeint, in ihm einen Skeptiker zu sehen. Ich kann dem Herrn Staatsanwalt antworten, dass er sich irrt. Ich habe hier kein Glaubensbekenntnis abzulegen, ich habe nur das Buch zu verteidigen, darum beschränke ich mich auf dieses schlichte Wort. Was jedoch das Buch anbelangt, so wette ich mit dem Herrn Staatsanwalt, dass er nichts findet, was einem Verstoß gegen die Relion nahekommt. Sie haben gesehen, wie die Religion in Emmas Erziehung eingeführt wurde und wie diese Religion, auf tausenderlei Art verfälscht, Emma keinen Halt geben konnte auf der schiefen Bahn, die sie hinabzog. Wollen Sie wissen, in welcher Sprache Monsieur Flaubert über die Religion spricht? Hören Sie einige Zeilen, die ich der ersten Folge entnehme, Seite 231, 232 und 233.
    »Eines Abends, als sie am offenstehenden Fenster saß und eine Weile dem Kirchdiener Lestiboudois zugeschaut hatte, der die Buchsbäume schnitt, hörte sie plötzlich das Läuten zum Angelus .
    Es war Anfang April, wenn die Primeln blühen; ein lauer Wind streicht über die umgegrabenen Beete, und die Gärten scheinen sich herauszuputzen wie Frauen für die sommerlichen Feste. Durch die Eisenstäbe der Laube und jenseits davon, ringsumher, sah man den Fluss auf der Wiese, wo er ein geschlängeltes Band ins Gras zeichnete. Der Abenddunst zog durch die blattlosen Pappeln, ließ ihre Umrisse verschwimmen in einem Veilchenblau, das blasser war und durchscheinender als ein in ihrem Geäst verfangener, hauchzarter Flor. In der Ferne trottete Vieh; man hörte weder Schritte noch Muhen; und die Glocke, die immer noch läutete, verbreitete in der Luft ihre friedliche Klage.
    Bei diesem hartnäckigen Bimmeln irrten die Gedanken der jungen Frau zu ihren alten Erinnerungen an Jugend und Internat. Die hohen Kerzenleuchter kamen ihr in den Sinn, die auf dem Altar die blumengefüllten Vasen überragten und den Tabernakel mit seinen Säulchen. Gern wäre sie, ganz wie einst, mit der langen Reihe der weißen Schleier verschmolzen, aus der hier und da die steifen Kapuzen der über ihre Betschemel gebeugten Nonnen schwarz herausstachen.«
    Das ist die Sprache, in der das reliöse Gefühl ausgedrückt wird; und wenn man dem Herrn Staatsanwalt zuhört, herrscht in Monsieur Flauberts Buch von Anfang bis Ende der Skeptizismus. Wo, wenn ich bitten darf, finden Sie hier Skeptizismus?
    DER HERR STAATSANWALT: Ich habe nicht gesagt, dass hierin welcher ist.
    RECHTSANWALT SENARD: Wenn hierin keiner ist, wo ist er dann? In Ihren Ausschnitten natürlich. Hier haben Sie das ganze Werk, das Gericht möge es beurteilen, und es wird sehen, dass das religiöse Gefühl darin so stark eingeprägt ist, dass die Beschuldigung des Skeptizismus eine wahre Verleumdung darstellt. Und wird mir der Herr Staatsanwalt nun erlauben, dass ich ihm sage, es war unnötig, den Autor mit so viel Getöse des Skeptizismus zu beschuldigen? Fahren wir fort:
    »Sonntags, in der Messe, wenn sie den Kopf hob, erblickte sie das sanfte Gesicht der Jungfrau Maria zwischen den bläulichen Schwaden aufsteigenden Weihrauchs. Da wurde sie auf einmal von Rührung ergriffen; sie fühlte sich weich und verlassen, wie eine Vogelfeder, die umherwirbelt im Sturm; und ohne dass es in ihr Bewusstsein drang, lenkte sie ihre Schritte zur Kirche, bereit zu jeder Art von Andachtsübung, wenn sie nur ihre Seele darin versenken konnte und die ganze Existenz verschwand.«
    Dies, meine Herren, ist der erste Appell an die Religion, die Emma Halt geben soll auf der schiefen Bahn der Leidenschaften. Sie ist gefallen, die arme Frau, dann wird sie mit dem Fuß weggestoßen von dem Mann, dem sie sich ergeben hat. Sie ist fast tot, sie erholt sich wieder, kommt zu Kräften; und jetzt werden Sie sehen, was geschrieben steht, in der Nummer vom 15. November 1856, S. 548.
    »Eines Tages, auf dem Höhepunkt ihrer Krankheit, hatte sie

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