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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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einen kleinen schwarzen Shawl, dessen Zipfel ihr zwischen den Schulterblättern baumelte; ihr vertrockneter Körper steckte in zu kurzen futteralartigen Kleidern, unter denen ihre Knöchel hervorschauten, mitsamt den breiten Schuhschleifen, die sich über grauen Strümpfen ineinanderschlangen.
    Charles’ Mutter kam hin und wieder zu Besuch; nach wenigen Tagen jedoch schien die Schwiegertochter sie an ihrer Klinge scharfzuwetzen; und wie zwei Messer traktierten sie ihn dann mit ihren Sticheleien und Tadeleien. Es war falsch, so viel zu essen! Warum immer gleich jeden Erstbesten auf ein Gläschen einladen? Wie eigensinnig von ihm, er wollte keine Flanellunterwäsche!
    Zu Frühlingsbeginn geschah es, dass ein Notar aus Ingouville, Vermögensverwalter der Witwe Dubuc, bei schönster Flut die Segel hisste und alles Geld seiner Kanzlei mitnahm. Zwar besaß Héloïse, neben einem auf sechstausend Franc geschätzten Schiffsanteil, noch ihr Haus in der Rue Saint-François; von diesem ganzen Reichtum, mit dem man so auf die Pauke gehauen hatte, war allerdings nichts aufgetaucht in der gemeinsamen Wirtschaft als ein bisschen Mobiliar und altes Gelumpe. Die Sache verlangte nach Aufklärung. Das Haus in Dieppe war bis in die Fundamente zerfressen von Hypotheken; was sie bei dem Notar hinterlegt hatte, wusste Gott allein, und der Anteil an dem Kahn überstieg keine tausend Écu. Sie hatte gelogen, die gute Frau! In seiner Wut zertrümmerte Monsieur Bovary senior einen Stuhl auf dem Steinboden, beschuldigte seine Frau, sie habe den Sohn ins Unglück gestürzt, ihn mit dieser Schindmähre zusammengespannt, deren Zaumzeug nicht besser war als das Fell. Sie fuhren nach Tostes. Man sprach sich aus. Es kam zu heftigen Wortwechseln. Héloïse warf sich schluchzend in die Arme ihres Mannes, beschwor ihn, sie vor seinen Eltern zu schützen. Charles wollte sie verteidigen. Jene waren beleidigt und gingen.
    Aber der Hieb hatte gesessen . Acht Tage später, als sie im Hof Wäsche aufhängte, spuckte sie plötzlich Blut, und tags darauf, während Charles ihr gerade den Rücken kehrte und die Gardine am Fenster zuzog, sagte sie: »Oh! mein Gott!«, tat einen Seufzer und verlor das Bewusstsein. Sie war tot! Wie verblüffend!
    Als auf dem Friedhof alles vorbei war, ging Charles nach Hause. Unten war niemand; er stieg hinauf in den ersten Stock, ins Schlafzimmer, sah ihr Kleid, das noch am Fußende des Alkovens hing; da lehnte er sich gegen den Sekretär und blieb so stehen bis zum Abend, versunken in wehmütige Grübelei. Sie hatte ihn geliebt, alles in allem.

    Anmerkungen

III.

    Eines Morgens kam Vater Rouault und brachte Charles den Lohn für sein wiederhergestelltes Bein: fünfundsiebzig Franc in Vierzig-Sou-Münzen und eine Pute. Er hatte von seinem Unglück erfahren und tröstete ihn, so gut er konnte.
    »Ich weiß, wie das ist!« sagte er und klopfte ihm auf die Schulter; »mir ging’s nicht anders als Ihnen! Als ich meine arme Verewigte verloren hab, lief ich raus auf die Felder, um allein zu sein; ich fiel am Fuß eines Baumes nieder, ich weinte, ich rief nach dem lieben Gott, ich sagte ihm dummes Zeug; ich wäre gern einer von den Maulwürfen gewesen, die ich an den Ästen sah und in deren Bäuchen die Maden wimmelten, na ja, verreckt halt. Und wenn ich dran dachte, dass andere im gleichen Augenblick bei ihren lieben kleinen Frauen waren, sie an sich drückten, drosch ich mit meinem Stock auf den Boden; ich war so gut wie verrückt, dass ich nichts mehr aß; der Gedanke, auch nur ins Kaffeehaus zu gehen, widerte mich an, ob Sie’s glauben oder nicht. Und dann, ganz langsam, ein Tag verscheuchte den anderen, ein Frühling folgte einem Winter und ein Herbst einem Sommer, dann wurd’s besser, Körnchen für Körnchen, Krümel für Krümel; dann ist’s weggegangen, ist verschwunden, ist runtergerutscht, will ich sagen, denn im Innersten bleibt immer was zurück, sozusagen … ein Stein, hier, auf der Brust! Aber das ist nun mal unser aller Los, drum darf man sich nicht zugrunde gehen lassen und, nur weil andre gestorben sind, auch sterben wollen … Reißen Sie sich zusammen, Monsieur Bovary; das geht vorüber! Besuchen Sie uns; meine Tochter denkt hin und wieder an Sie, müssen Sie wissen, und sie sagt auch, Sie hätten sie ganz vergessen. Bald ist Frühling; Sie dürfen in unserm Revier ein Karnickel schießen, das bringt Sie auf andre Gedanken.«
    Charles folgte seinem Rat. Er ritt wieder nach Les Bertaux; er fand alles so wie

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