Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
dem Leibe
tragen! Und Wacholderdämpfe auf die kranken Teile!«
    Der Anblick der wohlbekannten Gegend, die an Emma vorüberzog,
lenkte sie ein wenig von ihrem Schmerz ab. Eine unbezwingliche
Müdigkeit überkam sie. Ganz erschöpft, lebensmüde und verschlafen
langte sie in Yonville an.
    »Mag nun kommen, was will!« dachte sie beim
Aussteigen. »Zu guter Letzt, wer weiß? Kann nicht jeden Augenblick
ein unerwartetes Ereignis eintreten? Sogar Lheureux kann sterben
…«
    Am andern Morgen wurde sie durch ein Geräusch auf dem Markt
wach. Es war ein Gedränge um ein großes Plakat entstanden, das an
einem der Pfeiler der Hallen angeschlagen war. Sie sah, wie Justin
auf einen Prellstein stieg und es abriß. Aber im selben Moment
faßte ihn der Schutzmann am Kragen. In diesem Augenblick trat
Homais aus seiner Apotheke, und auch Frau Franz tauchte laut redend
mitten in der Volksmenge auf.
    »Gnädige Frau! Gnädige Frau!« rief Felicie, die ins Zimmer
stürzte.
    Das arme Ding war außer sich. Sie hielt einen gelben Zettel in
der Hand, den sie von der Haustüre abgerissen hatte. Emma überflog
ihn. Es war die Versteigerungsankündigung.
    Dann sahen sich beide wortlos an. Herrin und Dienerin hatten
längst keine Geheimnisse mehr voreinander. Seufzend sagte Felicie
nach einer Weile:
    »An der Stelle der gnädigen Frau ging ich mal zum Notar
Guillaumin.«
    »Meinst du?«
    Diese Frage bedeutete: »durch dein Verhältnis mit dem Diener
dieses Hauses weißt du doch Bescheid. Interessiert sich dieser
Junggeselle für mich?
    »Ja, gehn Sie nur, gnädige Frau! Es wird Ihnen nützen!«
    Emma kleidete sich an. Sie zog ihr schwarzes Kleid an und setzte
einen Kapotthut mit Jettbesatz auf. Damit man sie nicht sähe – es
standen immer noch eine Menge Leute auf dem Markte – , ging sie zur
Gartenpforte hinaus und den Weg am Bache hin.
    Atemlos erreichte sie das Gittertor des Notars. Der Himmel war
grau. Es schneite ein wenig. Auf ihr Klingeln hin erschienTheodor in einer roten Jacke auf der Freitreppe. Dann
kam er und öffnete ihr. Er behandelte sie mit einer gewissen
Vertraulichkeit, als ob sie ins Haus gehörte, und führte sie in das
Eßzimmer.
    Emmas Blick fiel flüchtig auf den breiten Porzellanofen, vor dem
ein mächtiger Kaktus stand. An den braun tapezierten Wänden hingen
in schwarzen Holzrahmen ein paar Kupferstiche: wollüstige
Frauengestalten. Der gedeckte Tisch, die silbernen Schüsselwärmer,
der Kristallgriff der Türklinke, der Parkettboden, die Möbel, alles
blinkte in reinlicher, germanischer Sauberkeit.
    »So ein Eßzimmer müßte ich haben!« dachte Emma.
    Der Notar trat ein. Er drückte seinen mit Palmenblattstickerei
verzierten Schlafrock mit dem linken Arm gegen den Leib; mit der
andern Hand nahm er sein braunsamtnes Hauskäppchen zum Gruße ab und
setzte es rasch wieder auf. Es saß ihm kokett etwas auf der rechten
Seite seines kahlen Schädels, über den drei lange blonde
Haarsträhne  [Fußnote]  liefen.
    Nachdem er Emma einen Stuhl angeboten hatte, setzte er sich an
den Tisch, um zu frühstücken. Er entschuldigte sich ob dieser
Unhöflichkeit.
    »Herr Notar,« sagte sie, »ich möchte Sie bitten….«
    »Um was denn, gnädige Frau? Ich bin ganz Ohr!«
    Sie begann ihm ihre Lage zu schildern.
    Guillaumin wußte bereits alles, da er in geheimer
Geschäftsverbindung mit Lheureux stand, der ihm die
Hypothekengelder zu verschaffen pflegte, die man dem Notar zu
besorgen Auftrag gab. Somit kannte er – und besser als Emma – die
lange Geschichte ihrer Wechsel, die erst unbedeutend gewesen, von
den verschiedensten Leuten diskontiert, auf lange Fristen
ausgestellt und dann immer wieder prolongiert worden waren. Jetzt
hatte sie der Händler allesamt
protestieren lassen und auf seinen Freund Vinçard abgeschoben, der
die Angelegenheit nun in seinem Namen verfolgte, damit der andre
bei seinen Mitbürgern nicht in den Ruf eines Halsabschneiders
gerate.
    Sie unterbrach ihre Erzählung häufig durch Beschuldigungen gegen
Lheureux, auf die der Notar ab und zu mit ein paar nichtssagenden
Worten antwortete. Er verzehrte sein Kotelett und trank seinen Tee,
– wobei er das Kinn gegen seine himmelblaue, mit einer
Brillantnadel geschmückte Krawatte einzog. Ein sonderbares,
süßliches und zweideutiges Lächeln spielte um seine Lippen. Als er
sah, daß Emma nasse Schuhe hatte, sagte er:
    »Kommen Sie doch näher an den Ofen heran! Halten Sie die Schuhe
doch an die Kacheln … höher!«
    Sie befürchtete, die Porzellankacheln

Weitere Kostenlose Bücher