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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Hauptportals wie ein Strom aus
einer dreibogigen Brücke.
    Emma dachte zurück an den Tag, da sie mit Hangen und Bangen in
das Mittelschiff eingetreten war, das sich so hoch vor ihr wölbte
und ihr damals doch klein erschien im Vergleich zu ihrer
grenzenlosen Liebe … Sie ging weiter. Unter ihrem Schleier strömten
die Tränen über ihre Wangen. Sie war wie betäubt, sie schwankte und
war einer Ohnmacht nahe.
    »Vorsehen!« rief eine Stimme aus einem Torwege.
    Sie blieb stehen, um einen hochtretenden Rappen vorbeizulassen,
der, in der Gabel eines Dogcarts, aus dem Hause herauskam. Ein Herr
in einem Zobelpelz kutschierte….
    »Wer war das doch?« fragte sie sich. Er kam ihr bekannt vor Das
Gefährt fuhr im Trabe fort und war bald verschwunden.
    »Aber das war doch der Vicomte!«
    Emma wandte sich um, aber die Straße war leer. Sie fühlte sich
so niedergeschlagen, so traurig, daß sie sich an die Wand eines
Hauses lehnen mußte, um nicht umzusinken. Sie grübelte darüber
nach, ob es wirklich der Vicomte gewesen war. Vielleicht,
vielleicht auch nicht! Was lag daran? Sie war eine Verlassene, vor
sich selber und vor andern! Eine Verlorene, vom Geratewohl gegen
die Klippen des Lebens getrieben … Und so empfand sie beinahe
Freude, als sie, am »Roten Kreuz« angelangt, den trefflichen Homais
traf, der das Aufladen einer großen Kiste voll Apothekerwaren in
die Post überwachte. In der Hand hielt er,
in ein Halstuch eingewickelt, sechs Stück Pumpernickel, die er
seiner Frau mitbringen wollte.
    Frau Homais liebte diese kleinen schweren Brote sehr, die in der
Normandie seit uralten Zeiten in Form eines Turbans gebacken und in
der Fastenzeit mit gesalzner Butter gegessen werden. Man buk sie
bereits zur Zeit der Kreuzzüge. Die wetterfesten alten Normannen
stopften sich voll davon, und wenn sie diese Brote beim gelben
Fackellicht vor sich auf dem Tische liegen sahen, zwischen riesigen
Beefsteaken und Methumpen, mochten sie sich einbilden,
Sarazenenköpfe zu vertilgen. Die Apothekersfrau verzehrte sie mit
nicht geringerem Heldenmute; sie hatte nämlich abscheulich
schlechte Zähne.
    »Bin entzückt, Sie zu sehen!« rief Homais, bot Emma die Hand und
half ihr beim Einsteigen in die Postkutsche.
    Dann legte er seine Pumpernickel hinauf in das Gepäcknetz, nahm
seinen Hut ab und setzte sich mit verschränkten Armen und einer
napoleonischen Denkermiene in die Ecke. Als unterwegs wie immer der
Blinde am Straßengraben auftauchte, bemerkte er:
    »Es ist mir unverständlich, daß die Behörde nach wie vor dieses
schandbare Gewerbe duldet! Solche Vagabunden sollte man einsperren
und zur Arbeit zwingen! Auf Ehre, die Kultur schleicht bei uns im
Schneckengange vorwärts! Wir waten noch in Barbarei!«
    Der Blinde steckte seinen Hut so durchs Wagenfenster, daß er wie
eine halb abgerissene Wagentasche auf und nieder wippte.
    »Er hat eine skrofulöse Affektion«, dozierte der Apotheker.
    Obgleich er den armen Schelm schon längst kannte, tat er doch,
als sähe er ihn zum ersten Male. Er murmelte etwas von Hornhaut,
Star, Sklerotika, Facies vor sich hin. Dann riet er ihm in
salbungsvollem Tone:
    »Hast du dieses schreckliche Gebrechen schon lange, mein
Sohn? Du solltest vor allem Diät halten,
statt dich in der Kneipe zu betanken! Gut essen und gut trinken ist
immer die Hauptsache.«
    Der Blinde leierte sein Lied ab. Er war zweifellos geistig
beschränkt.
    Schließlich zog Homais seine Börse.
    »Hier hast du einen Fünfer, gib mir einen Dreier wieder raus und
vergiß nicht, was ich dir verordnet habe! Es wird dir gut
bekommen!«
    Hivert erlaubte sich, ganz laut die Wirksamkeit seines Rezepts
zu bezweifeln. Da versicherte Homais dem Manne, lediglich eine
»antiphlogistische Salbe eignen Fabrikats« könne ihn heilen. Er gab
ihm seine Adresse:
    »Apotheker Homais, am Markt, allgemein bekannt!«
    »So, nun zeig mal zum Dank den Herrschaften, was du Schönes
kannst!« rief ihm Hivert zu.
    Der Blinde ließ sich in die Knie nieder, warf den Kopf zurück,
rollte mit seinen grünlichen Augen und streckte die Zunge heraus.
Dazu rieb er sich die Magengegend mit den Händen und stieß ein
dumpfes Geheul aus wie ein halbverhungerter Hund.
    Emma ward übel. Sie warf ihm über die Schulter ein
Fünffrankenstück zu. Es war ihr ganzes Geld. Es kam ihr edel vor,
es so wegzuwerfen.
    Der Wagen war schon ein ziemliches Stück weiter, als sich Homais
plötzlich aus dem Fenster lehnte und hinausrief:
    »Und keine Mehlspeisen und keine Milch! Wolle auf

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