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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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zu beschmutzen. Aber der
Notar sagte galant:
    »Schöne Sachen verderben nie etwas!«
    Sie machte einen Versuch, ihn zu rühren. Das brachte sie aber
nur selbst in Rührung. Sie erzählte ihm von der Enge ihres
häuslichen Lebens, von ihrem Unbefriedigtsein, von ihren
Bedürfnissen. Der Notar verstand das: eine elegante Frau! Und ohne
sich vom Essen abhalten zu lassen, drehte er seinen Stuhl nach ihr
um. Er berührte mit einem Knie ihren Schuh, dessen Sohle am heißen
Ofen zu dampfen begann.
    Als sie ihn aber um tausend Taler anging, biß er sich auf die
Lippen und erklärte, es tue ihm ungemein leid, daß er die
Verwaltung ihres Vermögens nicht rechtzeitig in die Hände bekommen
habe. Es gäbe tausend Möglichkeiten, selbst für eine Dame, ihr Geld
gewinnbringend anzulegen. Beispielsweise wären die Torfgruben von
Grümesnil oder Bauland in Havre bombensichere Spekulationen. Er
machte Emma rasend vor Wut, angesichts der
enormen Summen, die sie zweifellos dabei gewonnen hätte.
    »Weshalb sind Sie denn nicht zu mir gekommen?«
    »Das weiß ich selber nicht«, erwiderte sie.
    »Na, warum denn nicht? Sie haben wohl Angst vor mir gehabt? Ich
sollte Ihnen wirklich deshalb böse sein! Wir hätten uns schon
längst kennen lernen sollen! Ich bin aber trotzdem Ihr gehorsamster
Diener! Das werden Sie mir doch glauben, hoffe ich!«
    Er faßte nach ihrer Hand, drückte einen gierigen Kuß darauf und
behielt sie dann auf seinem Knie. Er liebkoste ihre Finger und
sagte ihr tausend Schmeicheleien. Seine fade Stimme gurgelte wie
Wasser im Rinnstein. Seine stechenden Augen funkelten durch die
spiegelnden Brillengläser; während seine Hände in die Ärmelöffnung
von Emmas Kleid fuhren, um ihren Arm zu betasten. Sie fühlte seinen
schnaubenden Atem auf ihrer Wange.
    Sie sprang auf und sagte:
    »Herr Guillaumin, ich warte….«
    »Worauf?« sagte der Notar, plötzlich ganz bleich geworden.
    »Auf das Geld!«
    »Aber….« In seiner Lüsternheit ließ er sich bewegen zu sagen:
»Na ja….«
    Trotz seines Schlafrockes fiel er vor Emma auf die Knie und
keuchte:
    »Bitte, bleiben! Ich liebe Sie!«
    Er umschlang ihre Taille.
    Ein Blutstrom schoß Emma in die Wangen. Empört machte sie sich
von dem Manne los und rief:
    »Sie nützen mein Unglück aus! Das ist schamlos! Ich bin
beklagenswert, aber nicht käuflich!«
    Damit eilte sie hinaus.
    Der Notar sah ihr ganz verdutzt nach. Sein Blick fiel auf seine
schönen gestickten Pantoffeln. Sie waren ein Geschenk von zarter
Hand. Dieser Anblick tröstete ihn schließlich. Überdies fiel ihm
ein, daß ihn ein derartiges Abenteuer zu wer weiß was hätte
verleiten können.
    »Ein gemeiner Mensch! Ein Lump! Ein ehrloser Kerl!« sagte Emma
bei sich, als sie hastigen Schritts an den Pappeln hinging. Ihre
Enttäuschung über den Mißerfolg verstärkte die Empörung ihres
Schamgefühls. Es war ihr, als verfolge sie ein unseliges Geschick,
und dieses Gefühl erfüllte sie von neuem mit Stolz. Nie in ihrem
Leben war sie hochmütiger und selbstbewußter gewesen und noch nie
so voller Menschenverachtung. Ein wilder Trotz entflammte sie. Sie
hätte alle Männer schlagen, ihnen ins Gesicht speien, sie
niedertreten mögen. Während sie weitereilte, bleich, zitternd,
verbittert, irrten ihre tränenreichen Augen den grauen Horizont
hin. Mit einer gewissen Wollust bohrte sie sich in Haß hinein.
    Als sie ihr Haus von weitem wiedersah, erstarrte sie. Die Beine
versagten ihr. Sie konnte nicht weiter … Aber es mußte sein! Wohin
hätte sie fliehen können?
    Felicie erwartete sie an der kleinen Pforte.
    »Gnädige Frau?«
    »Es war umsonst!«
    Eine Viertelstunde lang gingen sie zusammen alle Yonviller
durch, die vielleicht ihr zu helfen geneigt wären. Aber bei jedem
Namen, den Felicie nannte, wandte Emma ein:
    »Unmöglich! Die tun es nicht!«
    »Der Herr Doktor muß jeden Augenblick nach Hause kommen!«
    »Ich weiß es! Laß mich allein!«
    Sie hatte alles versucht. Nun mußte sie den
Dingen ihren Lauf lassen. Karl würde heimkommen. Sie mußte ihm
sagen:
    »Geh wieder! Der Teppich, auf dem du stehst, ist nicht mehr
unser. In diesem Haus gehört uns kein Stuhl mehr, kein Nagel, kein
Halm Stroh! Und ich, ich habe dich zugrunde gerichtet. Armer
Mann!«
    Dann würde es eine große Szene geben, sie würde maßlos weinen,
und wenn sich die erste Bestürzung gelegt hätte, würde er ihr
verzeihen!
    »Ja ! Er wird mir verzeihen!« murmelte sie in verhaltener
Wut. »Er! Er, dem ich nicht für eine Million verzeihen

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