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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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im Kamine qualmte, auf eine
große Spinne, die gerade über ihr an einem rissigen Deckenbalken
hinkroch….
    Endlich kam Ordnung in ihre Gedanken. Erinnerungen tauchten auf
… der Tag, an dem sie mit Leo hier gewesen war … Ach, wie weit lag
das zurück! Die Sonne hatte im Bache geglitzert, und die
Klematisranken hatten sie im Vorübergehen gestreift … Tausend andre
Erinnerungen umwirbelten sie wie ein brodelnder Katarakt, und mit
einem Male war sie wieder bei ihren jüngsten Erlebnissen.
    »Wieviel Uhr ist es?« fragte sie.
    Mutter Rollet ging vor das Haus, schaute nach der lichten Stelle
des Himmels, die den Stand der Sonne verriet, und kam gemächlich
wieder herein.
    »Bald drei Uhr!« sagte sie.
    »Schön! Ich danke!«
    Jetzt mußte Leo bald da sein! Sicherlich kam er. Er hatte das
Geld aufgetrieben. Aber er suchte sie in ihrer Wohnung. Daß sie
hier war, konnte er doch nicht wissen. Deshalb bat sie Frau Rollet,
sofort einmal nachzusehen und ihn herzubringen.
    »Machen Sie recht schnell!«
    »Aber beste Frau Bovary, ich gehe ja schon! Ich fliege!«
    Emma verwunderte sich, daß ihr Leo jetzt erst wieder eingefallen
war. Er hatte ihr doch gestern sein Wort gegeben! Das brach er
gewiß nicht! Schon sah sie sich im Geiste in Lheureux' Kontor und
zählte ihm die drei Tausendfrankenscheine auf seinen Schreibtisch.
Nun brauchte sie nur noch ein Märchen zu ersinnen, um ihrem Manne
die ganze Geschichte harmlos hinzustellen. Das war nicht weiter
schlimm!
    Frau Rollet hätte längst wieder zurück sein müssen. Es schien
der Wartenden wenigstens so. Aber da sie keine Uhr bei sich hatte,
redete sie sich ein, sie irre sich. Sie ging hinaus in
das Gärtchen und wanderte langsam hin und
her. Dann schritt sie ein Stück den Pfad entlang der Hecke hin,
kehrte aber plötzlich wieder um, weil sie sich sagte, die Frau
könne auch auf einem andern Wege nach Hause kommen. Schließlich war
sie des Wartens müde. Bange Ahnungen quälten sie. Sie hatte kein
Zeitgefühl mehr. Wartete sie seit ein paar Minuten oder seit einem
Jahrhundert?
    Sie kauerte sich in einen Winkel, schloß die Augen und hielt
sich die Ohren zu. Die Zauntüre knarrte. Emma sprang auf. Ehe sie
eine Frage tat, vermeldete Frau Rollet:
    »Es war niemand da!«
    »Niemand?«
    »Nein, niemand! Der Herr Doktor weint. Er läßt Sie suchen. Alles
ist auf den Beinen!«
    Emma blieb stumm. Sie atmete schwer. Ihre Augen irrten im Zimmer
umher. Frau Rollet sah ihr erschrocken ins Gesicht. Unwillkürlich
lief sie davon. Sie dachte, Emma sei wahnsinnig geworden.
    Plötzlich schlug sie sich auf die Stirn und tat einen lauten
Schrei. Rudolf war ihr ins Gedächtnis gekommen, wie ein heller
Stern in stockfinsterer Nacht! Er war immer gutmütig,
rücksichtsvoll und freigebig gewesen! Und selbst wenn er zögerte,
ihr diesen Dienst zu leisten, mußte ihn nicht ein einziger voller
Blick ihrer Augen an die verlorene Liebe mahnen und ihn dazu
zwingen!
    So ging sie denn nach der Hüchette, ohne das Bewußtsein zu
haben, daß sie damit doch das tun wollte, was ihr eben noch so
verächtlich vorgekommen war. Nicht im entferntesten dachte sie
daran, daß sie sich prostituierte.

Kapitel 8
     
    Auf dem Wege fragte sie sich: »Was werde ich ihm sagen? Womit
soll ich anfangen?«
    Je näher sie kam, um so bekannter erschienen ihr die Büsche und
Bäume, der Ginster am Hange und schließlich das Herrenhaus vor ihr.
Die zärtliche Liebesstimmung von damals tauchte wieder auf, und ihr
armes gequältes Herz schwoll im Nachhall der vergangenen Seligkeit.
Ein lauer Wind strich ihr übers Gesicht. Schmelzender Schnee fiel,
Tropfen auf Tropfen, von den knospenden Bäumen hernieder ins
Gras.
    Wie einst schlüpfte sie durch die kleine Gartenpforte und ging
über den von einer doppelten Lindenreihe durchschnittenen
Herrenhof. Die Bäume wiegten säuselnd ihre langen Zweige. Sämtliche
Hunde im Zwinger schlugen an, aber trotz ihres Gebells erschien
niemand.
    Sie stieg die breite, mit einem hölzernen Geländer versehene
Treppe hinauf. Die führte zu einem mit Steinfliesen belegten
staubigen Gang, auf den eine lange Reihe verschiedener Zimmer
mündete, wie in einem Kloster oder in einem Hotel. Rudolfs Zimmer
lag links ganz am Ende. Als sie die Finger um die Türklinke legte,
verließen sie plötzlich die Kräfte. Sie fürchtete, er möchte nicht
zu Haus sein, ja, sie wünschte es beinah, und doch war es ihre
einzige Hoffnung, der letzte Versuch zu ihrer Rettung. Einen
Augenblick sammelte sie sich noch,

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