Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
Kamin bildeten.
Alle hatten die Köpfe gesenkt. Die Knie aufeinander, schaukelten
sie mit den Beinen und stießen von Zeit zu Zeit einen tiefen
Seufzer aus. Alle langweilten sich maßlos, aber keinem fiel es ein,
wieder zu gehen.
    Um neun Uhr kam Homais zurück, beladen mit einer Menge Kampfer,
Benzoe und aromatischen Kräutern. Auch ein Gefäß voll Chlor brachte
er mit, um die Luft zu desinfizieren. Felicie, die Löwenwirtin und
die alte Frau Bovary standen gerade um Emma herum, damit
beschäftigt, die letzte Hand ans Totenkleid zu legen. Sie zupften
den langen steifen Schleier zurecht, der bis hinab an die
Atlasschuhe reichte.
    Felicie wehklagte:
    »Ach, meine arme gute Herrin! Meine arme
gute Herrin!«
    »Sehn Sie nur!« sagte die Witwe Franz seufzend, »wie reizend sie
noch immer ausschaut! Man möchte drauf schwören, daß sie gleich
wieder aufstünde!«
    Dann beugten sie sich über sie, um ihr den Kranz umzulegen.
Dabei mußten sie den Kopf etwas hochheben. Da quoll schwarze
Flüssigkeit aus dem Munde hervor, als erbräche sie sich.
    »Mein Gott! Das Kleid! Geben Sie acht!« schrie Frau Franz. Und
zum Apotheker gewandt: »Helfen Sie uns doch! Oder fürchten Sie sich
vielleicht?«
    »Ich mich fürchten?« erwiderte er achselzuckend. »Nein, so was!
Ich habe in den Spitälern noch ganz andres gesehen und erlebt, als
ich Pharmazeutik studierte. Wir brauten uns unsern Punsch im
Seziersaal! Der Tod erschreckt einen Philosophen nicht. Ich habe
sogar die Absicht – wie ich schon oft gesagt habe – , meinen Körper
der Anatomie zu vermachen, damit er dermaleinst der Wissenschaft
noch etwas nützt.«
    Der Pfarrer kam und fragte nach Karl. Auf den Bescheid des
Apothekers erwiderte er:
    »Die Wunde, wissen Sie, ist noch zu frisch.«
    Darauf pries Homais ihn glücklich, weil er nicht darauf gefaßt
zu sein brauche, eine teure Gefährtin zu verlieren, worauf sich ein
Disput über das Zölibat entspann.
    »Es ist unnatürlich,« sagte der Apotheker, »daß sich ein Mann
des Weibes enthalten soll. Manche Verbrechen….«
    »Aber, zum Kuckuck!« rief der Priester. »Kann denn ein
verheirateter Mensch das Beichtgeheimnis wahren?«
    Nun griff Homais die Beichte an. Bournisien verteidigte sie. Er
zählte ihre guten Wirkungen auf. Er wußte Geschichten von Dieben,
die auf einmal ehrliche Menschen geworden wären. Sogar Soldaten
seien, nachdem sie im Beichtstuhl ihrer Sündenledig gesprochen, fromme Menschen geworden. Und in
Freiburg sei ein Diener….«
    Sein Partner war eingeschlafen. Als die schwüle Luft im Zimmer
immer unerträglicher wurde, öffnete der Pfarrer das Fenster. Da
ward der Apotheker wieder wach.
    »Wie wärs mit einer Prise?« fragte er ihn. »Hier! Das hält
munter!«
    In der Ferne bellte irgendwo fortwährend ein Hund.
    »Hören Sie, wie der Hund heult?« fragte der Apotheker.
    »Man sagt, daß sie die Toten wittern«, sagte der Priester.
Ȁhnlich ist es bei den Bienen. Sie verlassen ihren Stock, wenn im
Haus ein Mensch stirbt.«
    Homais erhob keinen Einwand gegen diesen Aberglauben, denn er
war bereits wieder eingeschlafen.
    Bournisien, der widerstandsfähiger war, bewegte noch eine
Zeitlang leise die Lippen. Dann senkte sich allmählich sein Kinn,
sein dickes schwarzes Buch entfiel ihm, und er begann zu
schnarchen.
    So saßen sie einander gegenüber, mit vorgestreckten Bäuchen, mit
ihren aufgedunsenen Gesichtern voller Stirnrunzeln. Nach all ihrem
Zwist vereinte sie die gleiche menschliche Schwäche. Sie regten
sich ebensowenig wie der Leichnam neben ihnen, der zu schlummern
schien.
    Karl kam. Er weckte die beiden nicht. Er kam zum letzten Male.
Um Abschied von ihr zu nehmen.
    Das Räucherwerk qualmte noch. Die bläuliche Wolke vermählte sich
am Fensterkreuz mit dem Nebel, der hereindrang. Draußen blinkten
einige Sterne. Die Nacht war mild.
    Das Wachs der Kerzen träufelte in langen Tränen herab auf das
Bettuch. Karl sah zu, wie die gelben Flammen flackerten. Der
Lichtschimmer machte ihm die Augen müde.
    Über das Atlaskleid huschten Reflexe; es war
weiß wie Mondenschein. Emma verschwand darunter, und es schien ihm,
als gehe die Tote in alle die Dinge ringsumher über, als lebe sie
nun in der Stille, in der Nacht, im leisen Winde, in dem wirbelnden
Kräuterdufte….
    Und mit einem Male sah er sie wieder in Tostes auf der
Gartenbank unter dem blühenden Weißdornbusch … dann in Rouen auf
dem Gange durch die Straße … und dann auf der Schwelle ihres
Vaterhauses, im Gutshofe, in Bertaux…. Es war

Weitere Kostenlose Bücher