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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Post, die von Rouen zurückkehrte. Er preßte die Stirn gegen
die Scheiben und sah zu, wie die Reisenden nacheinander ausstiegen. Felicie legte ihm eine Matratze in das
Wohnzimmer, er warf sich darauf und schlief ein.
    Herr Homais war ein Freigeist, aber er ehrte die Toten. Er trug
dem armen Karl auch nichts nach und kam abends, um Totenwache zu
halten. Er brachte drei Bücher und ein Notizbuch mit. Er pflegte
sich Auszüge zu machen.
    Bournisien fand sich gleichfalls ein. Zwei hohe Wachskerzen
brannten am Kopfende des Bettes, das man aus dem Alkoven
hervorgerückt hatte.
    Der Apotheker, dem das Schweigen unheimlich vorkam, drechselte
Jeremiaden über die »unglückliche junge Frau«. Der Priester
unterbrach ihn. Es sei nichts am Platze, als für sie zu beten.
    »Immerhin«, versetzte Homais, »sind nur zwei Fälle möglich.
Entweder ist sie, wie sich die Kirche ausdrückt, selig verschieden.
Dann bedarf sie unsrer Gebete nicht. Oder sie ist als Sünderin von
hinnen gegangen … Oder wie lautet hier der kirchliche Ausdruck?
Dann….«
    Bournisien unterbrach ihn und erklärte in mürrischem Tone, man
müsse in jedem Falle beten.
    »Aber sagen Sie mir,« wandte der Apotheker ein, »da Gott stets
weiß, was uns not tut, wozu dann erst das Gebet?«
    »Wozu das Gebet?« wiederholte der Priester. »Ja, sind Sie denn
kein Christ?«
    »Verzeihung! Ich bewundre das Christentum. Es hat zuerst die
Sklaverei abgeschafft, es hat der Welt eine neue Moral geschenkt,
die….«
    »Davon reden wir nicht. In der Heiligen Schrift….«
    »Gehen Sie mir mit der Bibel! Lesen Sie in der Geschichte nach!
Man weiß, daß sie von den Jesuiten gefälscht ist….«
    Karl trat ein, näherte sich dem Totenbette und zog langsam die
Vorhänge beiseite.
    Emmas Kopf war ein wenig nach der rechten
Schulter zu geneigt. Ihr Mund stand offen und sah wie ein schwarzes
Loch im unteren Teil ihres Gesichtes aus. Beide Daumen hatten sich
fest in die Handballen gedrückt. Etwas wie weißer Staub lag in
ihren Wimpern, und die Augen verschwammen bereits in blassem
Schleim, der wie ein dünnes Gewebe war, als hätten Spinnen ihr Netz
darüber gesponnen. Das Bettuch senkte sich von ihren Brüsten bis zu
den Knien und hob sich von da an nach ihren Fußspitzen. Karl hatte
die Empfindung, ein schweres Etwas, ein ungeheures Gewicht laste
auf ihr.
    Die Turmuhr der Kirche schlug zwei Uhr. Vom Garten her drang das
dumpfe Murmeln des Baches, der in die dunkle Ferne strömte. Von
Zeit zu Zeit schneuzte sich Bournisien geräuschvoll, und Homais
kritzelte Notizen auf das Papier.
    »Lieber Freund,« sagte er, »gehn Sie nun! Dieser Anblick
zerreißt Ihnen das Herz!«
    Sobald Karl das Zimmer verlassen hatte, begannen die beiden ihre
Erörterung von neuem.
    »Lesen Sie Voltaire!« sagte der eine. »Lesen Sie Holbach! Die
Enzyklopädisten!«
    »Lesen Sie die 'Briefe einiger portugiesischen Juden'«, sagte
der andre, »lesen Sie die `Grundlagen des Christentums' von
Nicolas!«
    Sie regten sich auf, bekamen rote Köpfe und sprachen
gleichzeitig ineinander hinein. Bournisien war entrüstet über die
Vermessenheit des Apothekers, Homais erstaunt über die
Beschränktheit des Priesters. Sie waren beide nahe daran, sich
Beleidigungen zu sagen, da kam plötzlich Karl abermals herein. Eine
unwiderstehliche Gewalt zog ihn her. Er mußte immer wieder die
Treppe hinauf.
    Er setzte sich der Toten gegenüber, so daß er ihr voll ins
Antlitz sehen konnte. Er verlor sich in
ihren Anblick, mit einer Innigkeit, die den Schmerz
verscheuchte.
    Er erinnerte sich an allerlei Legenden von Scheintoten und von
den Wundern des Magnetismus. Er bildete sich ein, er könne sie
wieder aufwecken, wenn er alle seine Willenskraft konzentriere.
Einmal beugte er sich sogar über sie und rief ganz leise: »Emma,
Emma!«
    Er atmete so heftig, daß die Flammen der Kerzen flackerten….
    Bei Tagesanbruch traf die alte Frau Bovary ein. Karl umarmte sie
und brach von neuem in Tränen aus. Ebenso wie der Apotheker
versuchte sie, ihm wegen des Aufwandes beim Begräbnisse
Vorstellungen zu machen, aber er brauste so auf, daß sie schwieg.
Hinterher beauftragte er sie sogar, baldigst in die Stadt zu fahren
und das Nötige zu besorgen.
    Karl blieb den ganzen Nachmittag allein. Berta war bei Frau
Homais. Felicie saß mit Frau Franz bei der Toten.
    Am Abend empfing Karl Besuche. Er erhob sich jedesmal, drückte
dem Kommenden stumm die Hand, der sich dann zu den andern setzte,
die nach und nach einen großen Halbkreis um den

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