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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Napoleon
und Athalia waren mitgenommen worden, weil sie Bewegung haben
sollten; und auch Justin war dabei, ein Bündel Regenschirme auf der
Schulter.
    Die neue Sehenswürdigkeit war eigentlich nichts weniger als
sehenswert. Um einen großen öden Platz, auf dem zwischen Sand- und
Steinhaufen bereits ein paar verrostete Maschinenräder lagen, zog
sich im Viereck ein Gebäude mit einer Menge kleiner Fenster hin. Es
war noch nicht ganz vollendet; durch den ungedeckten Dachstuhl
erblickte man den grauen Himmel. An einem Giebelhaken hing ein
Hebefestkranz aus Stroh und Ähren mit einem im Winde flatternden
weiß-rot-blauen Wimpel.
    Homais machte den Führer. Er erklärte der Gesellschaft die
künftige Bedeutung des Etablissements und schätzte die Stärke der
Balken und die Dicke der Mauern, wobei er sehr bedauerte, kein
Metermaß bei sich zu haben.
    Emma hatte sich bei ihm eingehängt. Sie stützte sich ein wenig
auf seinen Arm und schaute träumerisch in die Ferne nach der
Sonnenscheibe, deren mattes rotes Licht mit dem Nebel kämpfte.
Plötzlich wandte sie sich ab. Da stand ihr Mann. Er hatte seine
Mütze bis auf die Augenbrauen ins Gesicht hereingezogen. Seine
dicken Lippen zitterten vor Frost, was ihm einen blöden Zug
verlieh. Sogar seine Hinteransicht, sein behäbiger Rücken ärgerte
sie. Sie fand, die breite Fläche seines Mantels kennzeichne die
ganze Plattheit von Karls Persönlichkeit.
    Während sie ihn so verächtlich musterte,
genoß sie eine gewisse perverse Wollust. Da kam Leo an sie heran.
Die Kälte machte ihn bleich, was in sein Gesicht etwas
Schmachtendes, Sanftes brachte. Sein vorn offener Kragen ließ
zwischen Krawatte und Hals ein Stück Haut sehen; von seinem Ohr
lugte ein Teilchen zwischen den Strähnen seines Haars hervor, und
seine großen blauen Augen, die zu den Wolken aufschauten, kamen
Emma viel klarer und schöner vor als in den Gedichten die Bergseen,
in denen sich der Himmel spiegelt.
    »Rabenkind!« schrie plötzlich der Apotheker und schoß auf seinen
Jungen los, der eben in ein Kalkloch gesprungen war, um schöne
weiße Schuhe zu bekommen. Als er tüchtig ausgescholten wurde,
begann er laut zu heulen. Justin versuchte, ihm die Stiefelchen mit
einem Strohwisch zu reinigen, aber ohne Messer ging das nicht. Karl
bot ihm seins an.
    »Unerhört!« dachte Emma bei sich. »Er trägt ein Messer in der
Tasche wie ein Bauer!«
    Die neblige Luft wurde immer feuchter. Man machte sich auf den
Heimweg nach Yonville.
    An diesem Abend ging Emma nicht mit zu den Nachbarsleuten
hinüber. Als ihr Mann fort war und sie sich allein wußte, begann
sie die beiden Männer von neuem zu vergleichen, und der andere
stand in geradezu sinnlicher Deutlichkeit vor ihr, mit der
eigentümlichen Linienveränderung, die das menschliche Gedächtnis
vornimmt. Von ihrem Bette aus sah sie die lichte Glut im Kamin und
daneben – ganz so wie vor ein paar Stunden – Leo, den Freund. Er
stand da, in gerader Haltung, in der rechten Hand den Spazierstock,
und führte an der andern Athalia, die bedächtig an einem Eiszapfen
saugte. Diese Szene hatte ihr gefallen, und sie konnte von diesem
Bilde nicht loskommen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er an
andern Tagen ausgesehen hatte, welche
Worte er gesagt, in welchem Tone. Wie sein Wesen überhaupt
sei….
    Die Lippen wie zum Kusse gerundet, flüsterte sie immer wieder
vor sich hin: »Ach, süß, süß!« Und dann fragte sie sich: »Ob er
eine liebt? Aber wen? Ach, mich, mich!«
    Mit einem Male sprach alles dafür. Das Herz schlug ihr vor
Freude. Die Flammen im Kamin warfen auf die Decke fröhliche
Lichter. Emma legte sich auf den Rücken und breitete ihre Arme weit
aus.
    Dann aber hob sie ihr altes Klagelied an: »Ach, warum hat es der
Himmel so gewollt? Warum nicht anders? Aus welchem Grunde?«
    Als Karl um Mitternacht heimkam, stellte sie sich so, als wache
sie auf; und als er sich etwas geräuschvoll auszog, klagte sie über
Kopfschmerzen. Ganz nebenbei fragte sie aber, wie der Abend
verlaufen sei.
    »Leo ist heute zeitig gegangen«, erzählte Karl.
    Sie mußte lächeln, und mit dem Gefühl einer ungeahnten
Glückseligkeit schlummerte sie ein.
    Am andern Tage, gegen Abend, empfing sie den Besuch des Herrn
Lheureux, des Modewarenhändlers. Der war, wie man zu sagen pflegt,
mit allen Hunden gehetzt. Obgleich ein geborener Gascogner, war er
doch ein vollkommener Normanne geworden; er einte in sich die
lebhafte Redseligkeit des Südländers und die nüchterne
Verschlagenheit

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