Madame Bovary
seiner neuen Landsleute. Sein feistes,
aufgeschwemmtes und bartloses Gesicht sah aus, als sei es mit
Süßholztinktur gefärbt, und sein weißes Haar brachte den scharfen
Glanz seiner munteren schwarzen Augen noch mehr zur Wirkung. Was er
früher getrieben, wußte man nicht. Manche munkelten, er sei
Hausierer gewesen, andre sagten, Geldwechsler in Routot. Etwas aber
stand fest: er konnte im Kopfe die schwierigsten
Berechnungen ausführen. Selbst Binet kam
dies unheimlich vor. Dabei war er kriechend höflich; er lief in
immer halb gebückter Haltung herum, als ob er jemanden grüßen oder
einladen wollte.
Seinen mit einem Trauerflor versehenen Hut legte er an der Türe
ab, stellte einen grünen Pappkasten auf den Tisch und begann sich
dann unter tausend Floskeln bei Frau Bovary zu beklagen, daß er
ihre Kundschaft noch immer nicht gewonnen habe. Allerdings sei eine
»armselige Butike« wie die seine nicht gerade verlockend für eine
»elegante Dame«. Diese beiden Worte betonte er ganz besonders. Aber
sie brauche nur zu befehlen, er mache sich anheischig, ihr alles
nach Wunsch zu besorgen, Kurzwaren, Wäsche, Strümpfe, Modewaren,
was sie brauche. Er fahre regelmäßig viermal im Monat nach der
Stadt und stehe mit den ersten Firmen in Verbindung. Sie könne sich
überall nach ihm erkundigen. Heute komme er nur ganz im
Vorübergehen, um der gnädigen Frau ein paar feine Sachen zu zeigen,
die er durch einen ganz besonders günstigen Gelegenheitskauf
erworben hätte. Dabei packte er aus dem Kasten ein halbes Dutzend
gestickter Halskragen.
Frau Bovary besah sie sich.
»Ich brauche nichts«, bemerkte sie.
Nunmehr kramte der Händler behutsam drei algerische Seidentücher
aus, mehrere Pakete englischer Nähnadeln, ein paar strohgeflochtne
Pantoffeln und schließlich vier Eierbecher aus Kokosnußschale,
filigranartige Schnitzarbeiten von Sträflingen. Sich mit beiden
Händen auf den Tisch stützend, mit langem Hals und offnem Mund,
beobachtete er Emmas Augen, die unentschlossen in all diesen
Gegenständen herumsuchten. Von Zeit zu Zeit strich er mit dem
Fingernagel über die lang hingebreiteten Tücher, als wolle er ein
Stäubchen entfernen; die Seide knisterte leise, und das grünliche Dämmerlicht glitzerte auf den
Goldfäden des Gewebes in sternigen Funken.
»Was kostet so ein Tuch?« fragte Emma.
»Ein paar Groschen!« antwortete er. »Ein paar Groschen! Aber das
eilt ja nicht. Ganz wanns Ihnen paßt! Unsereiner ist ja kein
Jude!«
Sie dachte einen Augenblick nach, schließlich dankte sie dem
Händler, der gelassen erwiderte:
»Na ja, dann ein andermal! Ich habe mich bisher mit allen Damen
vertragen, mit meiner nur nicht.«
Emma lächelte. Er sah es und fuhr mit der Maske des Biedermannes
fort:
»Ich wollte damit nur gesagt haben, daß Geld Nebensache ist.
Wenn Sie mal welches brauchten, könnten Sie es von mir haben.«
Sie machte eine erstaunte Miene.
Schnell flüsterte er:
»Oh! Ich verschaffte es Ihnen auf der Stelle! Darauf können Sie
sich verlassen!«
Davon abspringend, erkundigte er sich flugs nach dem alten
Tellier, dem Wirt vom Café Français, den Bovary gerade in
Behandlung hatte.
»Was fehlt ihm denn eigentlich, dem alten Freunde? Er hustet,
daß sein ganzes Haus wackelt. Ich fürchte, ich fürchte, er läßt
sich eher zu einem Überzieher aus Fichtenholz Maß nehmen als zu
einem aus Wintertuch. Na, solange er auf dem Damme war, da hat er
schöne Zicken gemacht! Die Sorte, gnädige Frau, die wird nie
vernünftig! Und dann der Schnaps, das ist allemal der Ruin! Aber es
ist immer betrübend, wenn man sieht, wie es mit einem alten
Bekannten zu Ende geht.«
Während er seine Siebensachen wieder in den Pappkasten packte,
schwatzte er so von allen möglichen Patienten des Arztes.
»Das liegt am Wetter, ganz zweifellos!«
erhärte er, indem er verdrießlich durch die Fensterscheiben sah.
»Das bringt alle diese Krankheiten. Es geht mir ja selber so: ich
fühle mich gar nicht recht au fait. Werde wohl demnächst auch mal
zu Ihrem Herrn Gemahl in die Sprechstunde kommen müssen. Meiner
Kreuzschmerzen wegen. Na, auf Wiedersehen, Frau Doktor! Stehe immer
zu Ihrer Verfügung! Gehorsamster Diener!«
Und er schloß die Türe sacht hinter sich.
Emma ließ sich das Essen in ihrem Zimmer servieren, auf einem
Tischchen am Kamin. Sie nahm sich mehr Zeit denn sonst, und es
schmeckte ihr alles vorzüglich.
»Wie vernünftig ich doch war!« sagte sie bei sich und dachte an
die Seidentücher.
Da hörte sie
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