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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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so heftig die
Achseln, daß sich die Maschen ihrer Trikottaille weit
auseinanderzogen. Mit beiden Händen deutete sie auf das
Konkurrenzlokal, aus dem wüster Gesang herüberhallte.
    »Na! Lange wird die Herrlichkeit da drüben nicht mehr dauern!«
bemerkte sie. »In acht Tagen ist der Rummel alle!«
    Homais trat erschrocken einen Schritt zurück. Die Wirtin kam die
drei Stufen herunter und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Was? Das wissen Sie nicht? Noch in dieser Woche wird er
ausgepfändet und festgesetzt. Lheureux: hat ihm den Hals
abgeschnitten. Mit Wechseln!«
    »Eine fürchterliche Katastrophe!« rief der Apotheker aus, der
für alle möglichen Ereignisse immer das passende Begleitwort zur
Hand hatte.
    Die Löwenwirtin begann ihm nun die ganze Geschichte zu erzählen.
Sie wußte sie von Theodor, dem Diener des Notars. Obgleich sie
Tellier, den Besitzer des Café Français, nicht ausstehen konnte,
mißbilligte sie doch das Vorgehen von Lheureux. Sie nannte ihn
einen Gauner, einen Halsabschneider.
    »Da! Sehen Sie!« fügte sie hinzu. »Da geht er! Unter den Hallen!
Jetzt begrüßt er Frau Bovary. Sie hat einen grünen Hut auf und geht
am Arm von Herrn Boulanger.«
    »Frau Bovary!« echote Homais. »Ich muß ihr schnell guten Tag
sagen. Vielleicht ist ihr ein reservierter Platz auf der Tribüne
vor dem Rathause erwünscht.«
    Ohne auf die Löwenwirtin zu hören, die ihm ihre lange Geschichte
weitererzählen wollte, stolzierte der Apotheker davon. Mit
lächelnder Miene grüßte er nach links und rechts, wobei ihn die
langen Schöße seines schwarzen Rockes im Winde umflatterten, daß er
wer weiß wieviel Raum einnahm.
    Rudolf hatte ihn längst bemerkt. Er beschleunigte seine
Schritte.
    Da aber Emma außer Atem kam, ging er wieder
langsamer. Lachend und in brutalem Tone sagte er zu ihr:
    »Ich wollte nur dem Dicken entgehen, wissen Sie, dem
Apotheker!«
    Sie versetzte ihm eins mit dem Ellbogen.
    »Was soll das heißen?« fragte er sie. Dabei blinzelte er sie im
Weitergehen von der Seite an.
    Ihr Gesicht blieb unbeweglich; nichts darin verriet ihre
Gedanken. Die Linie ihres Profils schnitt sich scharf in die lichte
Luft, unter der Rundung ihres Kapotthutes, dessen blaßfarbene
Bindebänder wie Schilfblätter aussahen. Ihre Augen blickten
geradeaus unter ihren etwas nach oben gebogenen langen Wimpern.
Obgleich sie völlig geöffnet waren, erschienen sie doch ein wenig
zugedrückt durch den oberen Teil der Wangen, weil das Blut die
feine Haut straffte. Durch die Nasenwand schimmerte Rosenrot, und
zwischen den Lippen glänzte das Perlmutter ihrer spitzen Zähne. Den
Kopf neigte sie zur einen Schulter.
    »Mokiert sie sich über mich?« fragte sich Rudolf.
    In Wirklichkeit hatte der Ruck, den ihm Emma versetzt hatte, nur
ein Zeichen sein sollen, daß Lheureux neben ihnen herlief. Von Zeit
zu Zeit redete der Händler die beiden an, um mit ihnen ins Gespräch
zu kommen.
    »Ein herrlicher Tag heute! – Alle Welt ist auf den Beinen! – Wir
haben Ostwind!«
    Frau Bovary wie Rudolf gaben kaum eine Antwort, während Lheureux
bei der geringsten Bewegung, die eins der beiden machte, mit einem
ewigen »Wie meinen?« dazwischenfuhr, wobei er jedesmal den Hut
lüftete.
    Vor der Schmiede bog Rudolf mit einem Male von der Hauptstraße
ab in einen Fußweg ein. Er zog Frau Bovary mit sich und rief
laut:
    »Leben Sie wohl, Herr Lheureux! Viel
Vergnügen!«
    »Den haben Sie aber fein abgeschüttelt!« lachte Emma.
    »Warum sollen wir uns von fremden Leuten belästigen lassen?«
meinte Rudolf. »Noch dazu heute, wo ich das Glück habe, mit Ihnen
…«
    Sie wurde rot. Er vollendete seine Phrase nicht und sprach vom
schönen Wetter und wie hübsch es sei, so durch die Fluren spazieren
zu gehen.
    Ein paar Gänseblümchen standen am Raine.
    »Die niedlichen Dinger da!« sagte er. »Und so viele! Genug
Orakel für die verliebten Mädels des ganzen Landes!« Ein paar
Augenblicke später setzte er hinzu: »Soll ich welche pflücken? Was
denken Sie darüber?«
    »Sind Sie denn verliebt?« fragte Emma und hustete ein wenig.
    »Wer weiß?« meinte Rudolf.
    Sie kamen auf die Festwiese, auf der das Gedränge immer mehr
zunahm. Bauersfrauen mit Riesenregenschirmen, einen Korb am einen
und einen Säugling im andern Arme, rempelten sie an. Häufig mußten
sie Platz machen, wenn eine lange Reihe nach Milch riechender
Dorfschönen in blauen Strümpfen, derben Schuhen und silbernen
Ohrringen vorbeizog, alle Hand an Hand.
    Die Preisverteilung fand statt. Die

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