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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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kurz ehe sie
vor Gottes Thron traten, (du bist noch nicht so weit, das weiß ich
wohl!) seine Gnade erfleht haben; sie sind ohne Verdammnis
gestorben! Hoffen wir, daß auch du uns gleich ihnen ein gutes
Beispiel gibst! Darum: sei vorsichtig! Niemand verwehrt dir,
morgens ein Ave-Maria und abends ein Paternoster zu beten! Ja, tue
das! Mir zuliebe! Was kostet dich das? Willst du mir das
versprechen?«
    Der arme Teufel gelobte es. Tag für Tag kam der Seelsorger
wieder. Er plauderte mit ihm und der Wirtin, und bisweilen
erzählte er den beiden sogar Anekdoten,
Späße und faule Witze, die Hippolyt allerdings nicht verstand. Aber
bei jeder Gelegenheit kam er auf religiöse Dinge zu sprechen, wobei
er jedesmal eine salbungsvolle Miene annahm.
    Dieser Eifer verfehlte seine Wirkung nicht. Es dauerte nicht
lange, da bekundete der Strephopode die Absicht, eine Wallfahrt
nach Bon-Secours zu unternehmen, wenn er wieder gesund würde,
worauf der Priester entgegnete, das sei nicht übel. Doppelt genäht
halte besser. Er riskiere ja dabei nichts.
    Der Apotheker war empört über »diese Pfaffenschliche«, wie er
sich ausdrückte. Er behauptete, das verzögre die Genesung des
Hausknechts nur.
    »Laßt ihn doch nur in Ruhe!« sagte er zur Löwenwirtin. »Mit
euren Salbadereien macht ihr den Mann nur verdreht!«
    Aber die gute Frau wollte davon nichts hören. Er und kein
anderer sei ja an der ganzen Geschichte schuld! Und auch rein aus
Widerspruchsgeist hing sie dem Kranken zu Häupten einen
Weihwasserkessel und einen Buchsbaumzweig auf.
    Allerdings nützten offenbar weder der kirchliche noch der
chirurgische Segen. Unaufhaltsam schritt die Blutvergiftung vom
Beine weiter in den Körper hinauf. Man versuchte immer neue Salben
und Pflaster, aber der Fuß wurde immer brandiger, und schließlich
antwortete Bovary mit einem zustimmenden Kopfnicken, als Mutter
Franz ihn fragte, ob man angesichts dieser hoffnungslosen Lage
nicht den Doktor Canivet aus Neufchâtel kommen lassen solle, der
doch weitberühmt sei.
    Canivet war Doktor der Medizin, fünfzig Jahre alt, ebenso
wohlhabend wie selbstbewußt. Er kam und entblödete sich nicht, über
den Kollegen geringschätzig zu lächeln, als er das bis an das Knie
brandig gewordene Bein untersuchte. Sodann erklärte er, das Glied
müsse amputiert werden.
    Er suchte den Apotheker auf und wetterte
gegen »die Esel, die das arme Luder so zugerichtet« hätten. Er
faßte Homais am Rockknopf und hielt ihm in seiner Apotheke eine
Standpauke:
    »Da habt Ihr so 'ne Pariser Erfindung! Solchen Unsinn hecken die
Herren Gelehrten der Weltstadt nun aus! Genau so steht es mit ihren
Schieloperationen, Chloroform-Betäubungen, Blaseneingriffen! Das
ist alles Kapitalunfug gegen den sich der Staat ins Zeug legen
sollte! Diese Scharlatane wollen bloß immer was zu tun haben. Sie
erfinden die unglaublichsten Verfahren, aber an die Folgen denken
sie nicht. Wir andern aber, wir sind rückständig. Wir sind keine
Gelehrten, keine Zauberkünstler, keine Salonhelden. Wir haben unsre
Praxis, wir heilen lumpige Krankheiten, aber es fällt uns nicht
ein, Leute zu operieren, die kerngesund herumlaufen! Klumpfüße
gerade zu hacken! Du lieber Gott! Ebenso könnte man auch einem
Buckligen seinen Höcker abhobeln wollen!«
    Homais war bei diesem Erguß gar nicht besonders wohl zumute,
aber er verbarg sein Mißbehagen hinter einem verbindlichen Lächeln.
Er mußte mit Canivet auf gutem Fuße bleiben, dieweil dieser in der
Yonviller Gegend öfters konsultiert wurde und ihm dabei durch
Rezepte zu verdienen gab. Aus diesem Grunde hütete er sich, für
Bovary einzutreten. Er vermuckste sich nicht, ließ Grundsätze
Grundsätze sein und opferte seine Würde den ihm wichtigeren
Interessen seines Geschäfts.
    Die Amputation des Beines, die der Doktor Canivet ausführte, war
für den ganzen Ort ein wichtiges Ereignis. Frühzeitig waren die
Leute schon auf den Beinen, und die Hauptstraße war voller
Menschen, die allesamt etwas Trübseliges an sich hatten, als solle
eine Hinrichtung stattfinden. Im Laden des Krämers stritt man sich
über Hippolyts Krankheit. Ans Kaufen dachte niemand.
Und Frau Tüvache, die Gattin des
Bürgermeisters, lag vom frühen Morgen in ihrem Fenster, um ja nicht
zu verpassen, wenn der Operateur ankäme.
    Er kam in seinem Wägelchen angefahren, das er selber
kutschierte. Durch die Last seines Körpers war die rechte Feder des
Gefährts derartig niedergedrückt, daß der Wagenkasten schief stand.
Neben dem

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