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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Gewohnte zu
verlassen … oder was ists? Ach, es ist das Übermaß von Glück! Ich
bin zaghaft, nicht? Verzeih mir!«
    »Noch ist es Zeit!« rief er aus. »Überleg dirs! Wird es dich
auch niemals reuen?«
    »Niemals!« beteuerte sie leidenschaftlich.
    Sie schmiegte sich an ihn.
    »Was könnte mir denn Schlimmes bevorstehen! Es gibt keine Wüste,
kein Weltmeer, die ich mit dir zusammen nicht durchqueren würde! Je
länger wir zusammen leben werden, um so inniger und vollkommener
werden wir uns lieben! Keine Sorge, kein Hindernis wird uns mehr
quälen! Wir werden allein sein und eins immerdar…. Sprich doch!
Antworte mir!«
    Er antwortete wie ein Uhrwerk in gleichen
Zwischenräumen:
    »Ja … ja … ja!«
    Sie strich mit den Händen durch sein Haar und flüsterte wie ein
kleines Kind unter großen rollenden Tränen immer wieder:
    »Rudolf … Rudolf … ach, Rudolf … mein lieber guter Rudolf….«
    Es schlug Mitternacht.
    »Mitternacht!« sagte sie. »Nun heißt es: morgen! Nur noch ein
Tag!«
    Er stand auf und schickte sich an zu gehen. Und als ob diese
Gebärde ein Symbol ihrer Flucht sei, wurde Emma mit einem Male
fröhlich.
    »Hast du die Pässe?« fragte sie.
    »Ja.«
    »Hast du nichts vergessen?«
    »Nein.«
    »Weißt du das genau?«
    »Ganz genau!«
    »Nicht wahr, du erwartest mich im Provencer Hof? Mittags?«
    Er nickte.
    »Also morgen auf Wiedersehen!« sagte Emma mit einem letzten
Kusse.
    Er ging, und sie sah ihm nach.
    Er blickte sich nicht um. Da lief sie ihm nach bis an den
Bachrand und rief durch die Weiden hindurch:
    »Auf morgen!«
    Er war schon drüben auf dem andern Ufer und eilte den Pfad durch
die Wiesen hin. Nach einer Weile blieb er stehen. Als er sah, wie
ihr weißes Kleid allmählich im Schatten verschwand wie eine Vision,
da bekam er so heftiges Herzklopfen, daß er sich gegen einen Baum
lehnen mußte, um nicht umzusinken.

    »Ich bin kein Mann!« rief er aus. »Hol mich der Teufel! Ein
hübsches Weib wars doch!«
    Emmas Reize und all die Freuden der Liebschaft mit ihr lockten
ihn noch einmal. Er ward weich. Dann aber empörte er sich gegen
diese Rührung.
    »Nein, nein! Ich kann Haus und Hof nicht verlassen!«
    Er gestikulierte heftig.
    »Und dann das lästige Kind … die Scherereien … die Kosten!«
    Er zählte sich das alles auf, um sich stark zu machen.
    »Nein, nein! Tausendmal nein! Es wäre eine Riesentorheit!«

Kapitel 13
     
    Kaum auf seinem Gute angekommen, setzte sich Rudolf eiligst an
den Schreibtisch, über dem an der Wand ein Hirschgeweih, eine
Jagdtrophäe, hing. Aber sowie er die Feder in der Hand hatte, wußte
er nicht, was er schreiben sollte. Den Kopf zwischen beide Hände
gestützt, begann er nachzudenken. Emma war ihm in weite Ferne
entrückt. Der bloße Entschluß, mit ihr zu brechen, hatte sie ihm
mit einem Male ungeheuerlich entfremdet.
    Um sie greifbarer vor sich zu haben, suchte er aus dem Schranke,
der am Kopfende seines Bettes stand, eine alte Blechschachtel
hervor, in der ursprünglich einmal Kakes drin gewesen waren und in
der er seine »Weiberbriefe« aufbewahrte. Geruch von Moder und
vertrockneten Rosen drang ihm entgegen. Zu oberst lag ein
Taschentuch, verblaßte Blutflecken darauf. Es war von Emma; auf
einem ihrer gemeinsamen Spaziergänge hatte sie einmal Nasenbluten
bekommen. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Daneben lag ein Bild von
ihr, das sie ihm geschenkt hatte. Alle vier Ecken daran waren
abgestoßen. Das Kleid, das sie auf diesem Bilde anhatte, kam ihm
theatralisch vor und ihr himmelnder Blick jämmerlich. Wie er sich
ihr Konterfei so betrachtete und sich das Urbild in die Phantasie
zurückzurufen suchte, verschwammen Emmas Züge in seinem
Gedächtnisse, gleichsam als ob sich die noch lebende Erinnerung und
das gemalte Bildchen gegenseitig befehdeten und eins das andre
vernichtete.
    Nun fing er an, in ihren Briefen zu lesen. Die aus der letzten
Zeit wimmelten von Anspielungen auf die Reise; sie waren kurz,
sachlich und in Eile hingeschrieben, wie Geschäftsbriefe. Er suchte
nach den langen Briefen von einst. Da sie zu unterst lagen, mußte
er den ganzen Kasten durchwühlen. Aus dem Wust von
Papieren und kleinen Gegenständen zog er
mechanisch welke Blumen, ein Strumpfband, eine schwarze Maske,
Haarnadeln und Locken heraus. Braune und blonde Locken. Ein paar
Haare davon hatten sich ins Scharnier gezwängt und rissen nun beim
Herausnehmen….
    Mit allen diesen Andenken vertrödelte er eine Weile. Er stellte
seine Betrachtungen über die verschiedenen

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