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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Handschriften an, über
den Stil in den einzelnen Briefbündeln, über die nicht minder
variierende Rechtschreibung darin. Die einen hatten zärtlich
geschrieben, andre lustig, witzig oder rührselig. Die wollten
Liebe, jene Geld. Zuweilen erinnerte sich Rudolf bei einem
bestimmten Worte an Gesichter, an gewisse Gesten, an den Klang
einer Stimme. Manche wiederum beschworen nicht die geringste
Erinnerung herauf.
    Alle diese Frauen kamen ihm jetzt alle auf einmal in den Sinn.
Jede war eine Feindin der andern. Alle zogen sie sich gegenseitig
in den Schmutz. Etwas Gemeinsames – die Liebe – stellte sie
allesamt auf ein und dasselbe Niveau.
    Wahllos nahm er einen Stoß Briefe in die Finger, bildete eine
Art Fächer daraus und spielte damit. Schließlich aber warf er sie,
halb gelangweilt, halb verträumt, wieder in den Kasten und stellte
diesen in den Schrank zurück.
    »Lauter Blödsinn!«
    Das war der Extrakt seiner Lebensweisheit. Sein Herz war wie ein
Schulhof, auf dem die Kinder so erbarmungslos herumgetrampelt
waren, daß kein grüner Halm mehr sproß. Die Freuden des Daseins
hatten noch gründlicher gewirtschaftet. Die Schüler kritzeln ihre
Namen an die Mauern. In Rudolfs Herz war keiner zu lesen.
    »Nun aber los!« rief er sich zu.
    Er begann zu schreiben:
»Liebe Emma!
    Sei tapfer! Ich will Dir Deine Existenz nicht zertrümmern….«
    »Eigentlich sehr richtig!« dachte er bei sich. »Das ist nur in
ihrem Interesse. Also durchaus anständig von mir….«
»… Hast Du Dir Deinen Entschluß wirklich reiflich überlegt? Hast
Du aber auch den Abgrund bemerkt, armes Lieb, in den ich Dich
beinahe schon geführt hätte? Wohl nicht! Du folgst mir tollkühn und
zuversichtlich, im festen Glauben an das Glück, an die Zukunft!
Ach, wie unglücklich sind wir! Und wie verblendet waren wir!«
    Rudolf hörte zu schreiben auf. Er suchte nach guten Ausflüchten.
»Wenn ich ihr nun sagte, ich hätte mein Vermögen verloren? Ach,
nein, lieber nicht! Übrigens nützte das nichts. Die Geschichte ging
dann doch wieder von neuem los. Es ist, weiß Gott, verdammt schwer,
so eine Frau wieder vernünftig zu machen!«
    Er sann nach, dann schrieb er weiter:
    »Ich werde Dich niemals vergessen. Glaube mir das! Mein ganzes
Leben lang werde ich in inniger Verehrung Deiner gedenken. So aber
hätte sich unsre Leidenschaft (das ist nun einmal das Schicksal
alles Menschlichen!) eines Tages, früher oder später, doch
verflüchtet. Zweifellos! Wir wären ihrer müde geworden, und wer
weiß, ob mir nicht der gräßliche Schmerz beschieden gewesen wäre,
Deine Reue zu erleben und selber welche zu empfinden als
Veranlasser der Deinigen? Die bloße Vorstellung, Dir dieses Leid
verursachen zu können, martert mich. Liebste Emma, vergiß mich! Wir
hätten uns nie kennen lernen sollen! Warum bist Du so schön! Bin
ich der Schuldige? Bei Gott, nein, nein! Wir müssen das Schicksal
anklagen….«
    »Dieses Wort machte immer Eindruck«, sagte er zu sich.

    »Ja, wenn Du eine leichtsinnige Frau wärst, wie es ihrer so
viele gibt, ja dann hätte ich den Versuch wagen können, aus
Egoismus, ohne Gefahr für Dich. Aber bei Deiner köstlichen
schwärmerischen Art, dem Quell Deines Reizes und zugleich Deines
vielen Kummers, bist Du nicht imstande, Du Beste aller Frauen, die
Kehrseite unsrer zukünftigen Stellung in der Welt vorauszusehen.
Auch ich habe zunächst gar nicht daran gedacht, habe mich in unserm
Höhenglücke behaglich gesonnt, mich in ein Märchenland geträumt und
mich um keine Folgen gekümmert….«
    »Vielleicht glaubt sie, ich zöge mich aus Geiz zurück…. Auch
egal! Desto besser! Wenns nur Schluß wird!«
    »… Die Welt ist grausam, geliebte Emma. Man hätte uns überall,
wohin wir gekommen wären, Schwierigkeiten bereitet. Du hättest
unverschämte Fragen, Verleumdungen, Schmähungen und vielleicht
Beleidigungen über Dich ergehen lassen müssen. Beleidigungen, Du!
Und ich wollte Dich zu meiner Königin erheben. Du solltest mein
Heiligstes sein. Nun bestrafe ich mich mit der Verbannung, weil ich
Dir so viel Schlimmes angetan habe. Ich gehe fort. Wohin? Ach, ich
weiß es nicht, ich bin wahnsinnig!
    Lebwohl! Bleib immer gut! Und vergiß den Unglücklichen nicht
ganz, der Dich verloren hat! Lehre Deine Kleine meinen Namen, damit
sie mich in ihre Gebete einschließt!«
    Die Lichter der beiden Kerzen flackerten unruhig. Rudolf stand
vom Schreibtisch auf und schloß das Fenster.
    »So! Ich denke, das genügt! Halt! Noch etwas! Auf keinen

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