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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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unregelmäßiger wurden. Ihre
Augen irrten im Kreise. Sie fühlte den Wunsch in sich, daß die
ganze Welt zusammenstürze. Wozu weiterleben? Wer hinderte sie, ein
Ende zu machen, sie, die Vogelfreie?
    Sie bog sich weit aus dem Fenster heraus und starrte hinab auf
das Straßenpflaster.
    »Mut! Mut!« rief sie sich zu.
    Das leuchtende Pflaster da unten zog die Last ihres Körpers
förmlich in die Tiefe. Sie hatte die Empfindung, als bewege sich
die Fläche des Marktplatzes und hebe sich an den Häusermauern empor
zu ihr. Und die Diele, auf der sie stand, begann zu schwanken wie
das Deck eines Seeschiffes…. Sie lehnte sich noch weiter zum
Fenster hinaus. Schon hing sie beinahe im freien Raume. Der weite
blaue Himmel umgab sie, und die Luft strich ihr um den wie hohlen Kopf. Sie brauchte nur noch sich nicht
mehr festzuhalten, nur noch die Hände loszulassen…. Ohne Unterlaß
summte unten die Drehbank wie die rufende Stimme eines bösen
Geistes….
    In diesem Moment rief Karl:
    »Emma! Emma!«
    Da kam sie wieder zur Besinnung.
    »Wo steckst du denn? Komm doch!«
    Der Gedanke, daß sie soeben dem Tode entronnen war, erfüllte sie
mit Schrecken und Grauen. Sie schloß die Augen. Zusammenfahrend
fühlte sie sich von jemandem am Arm gefaßt: es war Felicie.
    »Gnädige Frau, die Suppe ist angerichtet. Herr Bovary
wartet.«
    Sie mußte hinunter, mußte sich mit zu Tisch setzen.
    Sie versuchte zu essen, aber sie brachte nicht einen Bissen
hinter. Sie faltete ihre Serviette auseinander, als ob sie sich die
ausgebesserten Stellen genau ansehen wollte, und wirklich tat sie
das und begann die Fäden des Gewebes zu zählen…. Plötzlich fiel ihr
der Brief wieder ein. Hatte sie ihn oben fallen lassen? Wohin war
er? Aber ihr Geist war zu matt, als daß sie imstande gewesen wäre,
einen Vorwand zu ersinnen, um bei Tisch aufstehen zu können. Sie
war feig geworden. Sie hatte Furcht vor Karl. Sicherlich wußte er
nun alles, sicherlich! Und wahrhaftig, da sagte er mit
eigentümlicher Betonung:
    »Rudolf werden wir wohl nicht sobald wieder zu sehen
kriegen?«
    »Wer hat dir das gesagt?« fragte sie zitternd.
    »Wer mir das gesagt hat?« wiederholte er, ein wenig betroffen
von dem harten Klang ihrer Frage. »Na, sein Kutscher, dem ich
vorhin vor dem Cafe Francais begegnet bin. Boulanger ist verreist,
oder er steht im Begriff zu verreisen….«
    Emma schluchzte laut auf.
    »Wundert dich das?« fuhr er fort. »Er verdrückt sich doch immer
mal von Zeit zu Zeit so. Um sich zu zerstreuen. Kanns ihm nicht
verdenken. Wenn man das nötige Geld dazu hat und Junggeselle ist….
Übrigens ist unser Freund ein Lebenskünstler! Ein alter Schäker!
Langlois hat mir erzählt….«
    Er verstummte, aus Anstand, weil das Dienstmädchen gerade
hereinkam. Sie legte die Aprikosen wieder ordentlich in das
Körbchen, das auf der Kredenz stand. Karl ließ es sich auf den
Tisch bringen, ohne zu bemerken, daß seine Frau rot wurde. Er nahm
eine der Früchte und biß hinein.
    »Ah!« machte er. »Vorzüglich! Koste mal!«
    Er schob ihr das Körbchen zu. Sie wehrte leicht ab.
    »So riech doch wenigstens! Das ist ein Duft!«
    Er hielt ihr eine Aprikose links und rechts an die Nase.
    »Ich bekomm keine Luft!« rief sie und sprang auf. Aber schnell
beherrschte sie sich wieder, mit Aufgebot aller ihrer Kraft. »Es
war nichts! Gar nichts! Wieder meine Nerven! Setz dich nur wieder
hin und iß!«
    Sie fürchtete, er könne sie ausfragen, um sie besorgt sein und
sie dann nicht allein lassen. Karl gehorchte ihr und setzte sich
wieder. Er spuckte die Aprikosenkerne immer erst in die Hand und
legte sie dann auf seinen Teller.
    Da fuhr draußen ein blauer Dogcart im flotten Trabe über den
Markt. Emma stieß einen Schrei aus und fiel rücklings langhin zu
Boden.
    Rudolf hatte sich nach langer Überlegung entschlossen, nach
Rouen zu fahren. Da nun aber von der Hüchette nach dorthin kein
anderer Weg als der über Yonville führte, mußte er diesen Ort wohl
oder übel berühren. Emma hatte ihn im Scheine derWagenlaternen, die draußen die Dunkelheit wie Sterne
durchhuschten, erkannt.
    Der Apotheker, der sofort gemerkt hatte, daß im Hause des Arztes
›was los sei‹, stürzte herbei. Der Eßtisch war mit allem, was
darauf gestanden, umgestürzt. Die Teller, das Fleisch, die Sauce,
die Bestecke, Salz und Oel, alles lag auf dem Fußboden umher. Karl
hatte den Kopf verloren, die erschrockene kleine Berta schrie, und
Felicie nestelte ihrer in Zuckungen daliegenden Herrin mit

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