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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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Haar ist länger als in seiner Erinnerung, ihr Lippenstift leuchtend rot, und sie schenkt ihm tatsächlich ein Lächeln, wenn auch ein wenig spöttisch, kaum mehr als ein leichtes Kräuseln der Lippen. »Es heißt, wenn man an dieser Ecke steht …«
    Joe sagt: »Hallo, Yasuko« und versucht dabei möglichst gelassen und gleichgültig zu klingen, aber ihm ist klar, dass er sie einfältig angrinst. Eigentlich ist es ja verständlich, verzeihlich, dass er sich freut, hier an diesem Ort der Trauer und des Schmerzes ein bekanntes Gesicht zu sehen, trotzdem ist er darauf gefasst, dass sie ihm eine schnippische Antwort gibt.
    »Was machst du denn in Tokio?«
    »Ich arbeite an der neuen Verfassung«, sagt sie, und jetzt ist ihr Lächeln echt. »Na ja, geplant war wohl, dass ich Kaffee koche, aber ich bin eine miserable Kaffeeköchin, deshalb lassen sie mich im Büro mithelfen. Nachdem sie mitbekommen haben, dass ich tippen und mit Zahlen umgehen kann und die Sprache beherrsche. Und weil wir den Frauen jetzt ja auch das Wahlrecht geben. Das kommt mir alles zugute.« Sie legt den Kopf schief und mustert ihn über ihre dunklen Brillengläser hinweg.
    »Wir bringen ihnen die Demokratie, Joey, keine Ungleichbehandlung mehr aufgrund von Rasse oder Herkunft. Keine unrechtmäßigen Inhaftierungen. Hier könnten sie kein Tule Lake errichten. Macht dich das nicht stolz? Macht dich das nicht glücklich ? Bin ich etwa sarkastisch?«
    Sie lässt ihren Blick über die Ruinen wandern.
    »Dir ist doch klar, worum es hier ging? Rache für Pearl Harbor. Bisschen übertrieben, findest du nicht auch?«
    Die Passanten starren sie an, argwöhnisch, manche feindselig: ein junge Japanerin, sauber gekleidet und mit roten Lippen und Fingernägeln.
    »Was ist mit dir?«, fragt sie. »Warum bist du hier?«
    »Ich bin in der Abteilung für Umerziehung, dolmetschen und so …«
    »Dolmetschen? Seit wann sprichst du Japanisch?«
    »Ich habe einen Sprachkurs gemacht, bevor ich herkam. Ich unterrichte Erwachsene, arbeite ein bisschen beim örtlichen Radio. Verbindungsmann nennen sie das.«
    »Im Grunde genommen bist du also ein Spion …«
    »Nein …«
    »Schon gut. Bin ich auch. Wir alle.«
    »Wir?«
    »Außenseiter. Fremde. Du musst kein blonder Yankee sein, um ein gaijin zu sein. Das weißt du doch. Frag die Koreaner. Wir sind alle Spione, aber aus verschiedenen Gründen. MacArthur und seine Jungs wollen rausfinden, was in diesen Leuten vorgeht, sie wollen in ihre Köpfe kriechen und sie dann ummodeln.«
    Wir, sagte sie.
    Er muss zum Unterricht: Lehrer in die neue Verfassung einführen, in die Demokratie einweisen, sie muss Telegramme verschicken. Sie verabreden sich für später.
    Er schlägt als Treffpunkt das Ernie-Pyle-Theater vor.
    »Du meinst das Takarazuka . Dauernd diese Umbenennungen, ihr seid echte Kulturimperialisten.«
    Ihr . Einen Moment befindet sie sich auf der anderen Seite. Einen Moment sieht er die frühere Yasuko vor sich, mit versteinertem Gesicht und zusammengekniffenen Lippen.
    »Wir könnten ins Kino gehen«, sagt er hastig.
    »Warum nicht. Ach übrigens, ich habe mir noch mal Die Spur des Falken angesehen. Gar nicht so übel.«
    Im Weggehen ruft sie ihm über die Schulter zu: »Was diesen Schlusssatz angeht, den du so toll findest, den von Shakespeare – der ist falsch zitiert.«
    Er sieht ihr nach, beobachtet, wie sich die schlanke Gestalt in den winzigen flachen Schuhen rasch einen Weg durch die schäbig gekleidete Menge bahnt. Sie hatte ihn gefragt, warum er hier war. Er war nicht ganz aufrichtig gewesen. Er hatte ihr gesagt, was er tat, nicht warum. Er hatte nicht gesagt, um meine Mutter zu finden. Eine unerklärliche Furcht hatte ihn davon abgehalten.
    Später aßen sie in einem schummrigen Lokal am Stadtrand zu Abend. Zwischen den Tischen huschten Kellner hin und her, füllten Gläser nach, räumten Teller ab, brachten dampfende Schüsseln aus der Küche. Yasuko sah sich um, ihr Gesicht schien von einer Art Trauer überschattet zu sein.
    »Yasuko? Alles in Ordnung?«
    »Ich finde es grässlich hier. Diese Leute machen mich krank.«
    »Welche Leute?«
    »Wir alle. Wir können es uns erlauben, Essen auf unseren Tellern liegen zu lassen, während da draußen Menschen verhungern. Es kursiert ein Witz: ›Was teilen gute Eltern mit ihren Kindern? Mangelernährung.‹ Ich verachte mich selbst dafür, dass ich hier bin.«
    Und er erfuhr, dass auch Yasuko nicht ganz aufrichtig gewesen war, dass sie in Tokio war, um eine

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