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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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graue, schäbige Kolonne.
    Er streckte den Kopf aus dem Fenster:
    »Möchte jemand mitfahren?«
    Ein paar Männer winkten ab, zwei vom Rand der Menge und ein paar Frauen mit kleinen Kindern kletterten in den Laster.
    »Wo soll’s hingehen, Herrschaften?«
    »Wir wollen nach Portland.«
    »Du kannst uns an der Abzweigung rauslassen.«
    Ben musterte die Männer, die sich in das Führerhäuschen gequetscht hatten. Einer kam ihm bekannt vor.
    »Das ist doch … Walt, hab’ ich recht? Habt ihr Jungs was vor?«
    Er lehnte sich mit dem Hintern an den Küchentisch und trank einen Schluck Wasser.
    »Ich hab’ ihn also gefragt, was los ist.«
    Während er erzählte, bereitete sie das Abendessen zu, ging vom Tisch zum Gasherd und von dort zur Spüle. In letzter Zeit machte sie das immer öfter, hörte ihm mit halbem Ohr zu und tat gleichzeitig irgendetwas anderes. Ben sprach weiter auf ihren Hinterkopf ein.
    »Weißt du, was er gesagt hat?«
    »Hm?« Sie wusste, dass er es ihr ohnehin gleich sagen würde. Bevor sie anfing, Scheiben von einem kleinen Endstück Schinken abzuschneiden, warf sie einen Blick über die Schulter: »Ich habe übrigens heute einen Brief von meiner Mutter bekommen.«
    Er nickte und trank sein Glas aus. »Na ja, jedenfalls hat Walt gesagt …«
    Der Laster ratterte und holperte durch die tiefen Fahrrinnen, und Walt erzählte ihm in seiner etwas langsamen Art, dass die Männer vorhatten, sich in Portland zu versammeln und am nächsten Tag auf den Weg nach Washington zu machen.
    Ben wickelte einen Streifen Kaugummi aus und steckte ihn zwischen die Zähne, wo sich bereits ein ausgelutschter Klumpen befand. Er kaute einen Moment, bis sich der kühle Pfefferminzgeschmack in seinem Mund ausbreitete.
    »Washington County, ganz schön weit.«
    Die anderen beiden sahen sich an und brachten ein Grinsen zustande: »Washington D. C., Ben. Das Kapitol. Das Weiße Haus.«
    »Erzählt mir doch nichts, Jungs. Ihr wollt doch nicht etwa die gesamten Vereinigten Staaten durchqueren?«
    Ben überholte die weit auseinandergezogene Kolonne, kroch langsam vorwärts, um möglichst wenig Staub aufzuwirbeln, und sah dabei immer wieder kurz zu den beiden Männern neben ihm. »Washington D. C.«, wiederholte er in ungläubigem Ton. »Washington D. C.? Das sind wie viel – fünftausend Kilometer?«
    Jetzt hielt Nancy mitten im Schneiden inne und sah ihn aufmerksam an.
    »Das waren die Veteranen, oder?«
    Joey, der in seinem Kämmerchen zusammengerollt auf dem Bett lag, fragte: »Warum gehen die alten Soldaten nach Washington?«
    »So alt sind sie nicht«, erwiderte Nancy. »Sie waren im Krieg. In Europa.«
    Ihr war klar, dass sich Ben, wenn er ein paar Jahre älter gewesen wäre, jetzt womöglich auch auf dem Weg nach Washington befinden würde. Genau wie sein großer Bruder, nur war Charlie nicht aus Frankreich heimgekehrt. Er war eines der weißen Kreuze, die die Gräber der Gefallenen markierten.
    Sie ging um den Tisch, konzentrierte sich darauf, Messer und Gabeln und Teller zu verteilen. Ben merkte, dass sie im Geist schon wieder woanders war. Sein Blick wanderte zu Joey. Der Junge hörte wenigstens zu.
    »Diese Männer …« Ben schüttelte den Kopf. »Haben da so eine verrückte Idee. Sie haben es schon mit Petitionen versucht, Reden gehalten …«
    Er hatte die Berichte über Aufstände gelesen. Die Schreiberlinge von den Zeitungen konnten leicht einen hochtrabenden Ton anschlagen, aber er dachte an Charlie, der auf irgendeinem französischen Schlachtfeld lag, und konnte die Enttäuschung nachvollziehen, die dazu führte, dass Glasscheiben und Knochen zu Bruch gingen.
    Ben hatte die entschlossene Wut gesehen, die in diesen Männern steckte, die sich heute auf die Stadt zubewegt hatten – eine Wut, die langsam immer größer wurde und die sie zu dem langen Marsch veranlasste.
    »Verrückt«, sagte er noch einmal. »Einige von denen sind in sehr schlechter Verfassung, halbe Krüppel.« Er klang müde. »Washington D. C.? Das werden die nie schaffen.«
    Nancy rührte die Bohnen um, schnitt den Schinken und hörte Ben mit abgewandtem Gesicht zu.
    »Weißt du, Joey«, fuhr er fort, »sie haben keine Arbeit, kein Zuhause. Sie machen das, um den Präsidenten aufzurütteln. Sie brauchen die versprochenen Bonuszahlungen, sie können nicht noch einmal acht Jahre oder mehr warten, sie sind jetzt schon am Verhungern.«
    Sie legte das Messer hin und wusch sich die Hände. Dann drehte sie sich langsam von der Spüle weg, trocknete sich

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