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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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insbesondere der Familien Beauvillier und Chevreuse, über die sie den Weg zu Fénélon und dann, eigentlich zu schnell, zu Françoise selbst fand.
Unbekümmert darum, daß diese Lehre zu Gott auch einen Nebenweg zur Libertinage eröffnet, entschied sie sich für eine Deutung im Sinne ihrer Bedürfnisse: Es gab eine Erlösung, die keine Anstrengung von ihr verlangte; das Schicksal ihrer Seele konnte sie den Händen eines liebenden Gottes überlassen; sie brauchte sich wegen der Unaufrichtigkeit ihrer Gebete und des moralischen Werts von Zahnschmerzen keine Gedanken mehr zu machen und konnte sich entspannt einem Zustand »heiliger Ruhe« überlassen.
    Aufgrund dessen, was sie über Madame Guyons umstrittene Bücher – Kurzes und sehr leichtes Mittel zu beten und Die geistlichen Ströme – gehört hatte, aber ohne diese gelesen zu haben, und in Mißachtung einer päpstlichen Verurteilung der »gesegneten Dame« führte Françoise sie in Saint-Cyr ein, wo ihre ansprechenden Ideen rasch Furore machten, zuerst bei den Novizinnen und dann auch bei den Mädchen. Schon wenige Wochen später fand man die älteren, »grünen« und »blauen« Mädchen nicht in ihren Klassenräumen oder bei ihren Aufgaben, sondern »versteckt auf dem Dachboden
829 mit Exemplaren der Ströme , und bei jeder Erwähnung von Hingabe und nackten Opfergaben seufzten sie «.
    Eine Zeitlang ließ Françoise einfach alles laufen, weil sie mit ihrer eigenen Verwechslung von spiritueller und irdischer Liebe beschäftigt war. Wenn sie nicht direkt in den »koketten« Jesuiten verliebt war, »von dem seinen Blick abzuwenden Mühe kostete«, so war sie zumindest verliebt in die Idee von ihm und in seine von Madame Guyon bezogene verführerische Spiritualität mit ihrer allumfassenden, alles zusichernden Liebe. In Fénélon, so schien es, hatte sie endlich ihre platonische »andere Hälfte« gefunden, den perfekten Partner, der perfekt auf sie reagierte. Ohne Père Godet des Marais zu informieren, der sich aufmerksam mit der Lehre von der »reinen Liebe« befaßte, wandte Françoise sich 1690 an Fénélon und bat ihn kühn um eine Analyse ihres spirituellen Charakters nach Art eines Beichtvaters. Wenn sie
eine nachsichtige oder gar schmeichelhafte Antwort erwartet hatte, wie sie sie von Godet des Marais oder vorher von Père Gobelin gewohnt war, so war sie über Fénélons ausführliche Entgegnung erstaunt. »Ich zögere, von Ihren Mängeln zu sprechen
830 , Madame«, begann er, um dann fortzufahren:
    Ich werde Ihnen sagen, was ich denke, und Sie können davon Gebrauch machen, so Gott will. Sie sind ungekünstelt und natürlich, und das bedeutet, daß Sie oft, ohne darüber nachdenken zu müssen, Gutes für diejenigen tun, die Sie mögen und bewundern. Doch zu denen, die Sie nicht mögen, sind Sie kalt und schroff, und Ihre Schroffheit kann bis zum Äußersten gehen … Niemand darf Fehler haben … Wenn Sie gekränkt sind, sind Sie tief gekränkt.
    Sie haben zuviel Stolz, worunter ich das Bedürfnis nach Respekt verstehe … dies ist schwerer zu korrigieren als die schlichteste dumme Eitelkeit. Sie begreifen nicht, wie tief bei Ihnen noch immer das Bedürfnis ist, respektiert zu werden … Sie wollen, daß die Leute denken, Sie verdienten eine höhere Stellung, als Sie sie innehaben.
    Sie haben noch nicht diesen Götzen zerschlagen, das Ich. Sie möchten zu Gott gelangen, aber nicht auf Kosten des Ich , im Gegenteil, Sie suchen Ihr Ich in Gott … Ich hoffe, daß Gott Ihnen das Licht schenken wird, dies besser zu verstehen, als ich es zu erklären vermag …
    … Was Sie brauchen, ist eine lange und sorgfältige Selbstprüfung … Sie müssen aber nicht denken, Sie seien eine Heuchlerin. Heuchler denken niemals, daß sie Heuchler sind … Ihre Frömmigkeit ist aufrichtig. Sie hatten nie eines der wirklichen Laster der Welt, und Ihre kleineren Irrtümer haben Sie längst aufgegeben …
    Was die Staatsangelegenheiten betrifft, sind Sie weitaus fähiger, als Sie glauben … aber ich denke, was Sie wirklich wünschen, ist ein Leben in behaglicher Zurückgezogenheit …
    Sie lieben Ihre Familie, wie es sich gehört, ohne blind für ihre Mängel zu sein … aber Sie hängen viel zu sehr an Ihren Freunden. Wenn Sie es wirklich schaffen würden, für dieses Ich selbst zu sterben, wäre es Ihnen gleichgültig, ob sie Sie lieben oder nicht, genauso gleichgültig, wie wenn sie den Kaiser von China lieben würden …
    Sie verbrauchen Ihre ganze Kraft für die

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