Madame de Maintenon
eine gewisse présidente von Bretonvilliers und andere Mätressen … in seinem reizenden Haus bei Paris …«
Statt des nicht ganz so frommen Harlay de Champvallon wäre beinahe der unangreifbare Bossuet Erzbischof von Paris geworden, aber Françoise konnte den König dazu bewegen, lieber einen potentiellen Bundesgenossen von ihr zu ernennen. Es ging um Monseigneur Louis-Antoine de Noailles, einen Mann von illustrer Herkunft und bescheidenen Ambitionen, der dieses Bischofsamt tatsächlich schon dreimal abgelehnt hatte. Dennoch folgte Ludwig ihrer Anregung, aus Respekt vor Françoises Frömmigkeit.
Dabei war Françoise gar nicht von ihrer Frömmigkeit be
wegt worden. Sie hatte Noailles, der als Provinzbischof vor allem für seine Freigebigkeit gegenüber den Armen bekannt war, wirklich drängen müssen, das hohe Pariser Amt anzunehmen, unter anderem mit dem Hinweis auf die Jesuiten, »die uns von allen Seiten den Krieg erklären«. »Was könnte es für einen besseren Grund geben
835 als die Errettung des Königs?« schrieb sie. »Gewiß, Sie würden die Übel, die andere in der Vergangenheit geschaffen haben, ertragen müssen, aber bedenken Sie, was Sie in Zukunft alles ändern könnten! Monsieur«, forderte sie, »Sie sind jung [er war vierundvierzig], Sie sind gesund. Wie können Sie der Arbeit die Ruhe vorziehen, wenn uns die Vorsehung diese Gelegenheit geschenkt hat, ohne daß wir sie gesucht haben? Geben Sie aber acht, daß dieser Brief geheim bleibt …«
In Wirklichkeit erklärten die Jesuiten Noailles keineswegs »von allen Seiten« den Krieg, aber vielleicht hätten sie es getan, wenn sie von seinen heimlichen Sympathien für den Jansenismus gewußt hätten. Aber Harlay de Champvallon war mit Père de la Chaise, dem jesuitischen Beichtvater des Königs, verbündet gewesen, und beide waren entschieden nicht nur gegen Fénélon, sondern auch gegen jeglichen Einfluß auf den König, den Françoise für sich in Anspruch nehmen mochte, einschließlich des Einflusses, den sie mit der Möglichkeit einer öffentlichen Bekanntgabe der königlichen Ehe indirekt ausüben konnte. Die »Übel«, die »andere« geschaffen hatten, mochten in nichts anderem bestehen als den »abergläubischen Vorstellungen und äußerlichen kleinen Gewohnheiten«, die Fénélon dem König in seinem nicht verschickten Brief vorgehalten hatte und die der orthodoxe Père de la Chaise unbeanstandet hatte durchgehen lassen, obwohl Françoise ebensogut das ständige Kriegsgeschrei des Königs hätte erwähnen können, das keiner der von ihm erwählten Prälaten ihm auszureden versucht hatte und das zumindest Bossuet als wichtig für den weiteren irdischen Ruhm des Reiches betrachtete.
Doch vor allem wollte Françoise sich und wohl auch Fénélon beweisen, daß sie ihm zumindest in einer Hinsicht die Treue gehalten hatte. Louis-Antoine de Noailles, der neue Erzbischof, war der Sohn eines alten Freundes aus dem Marais und – das war entscheidend – seit der gemeinsamen Studienzeit an der Sorbonne eng mit Fénélon befreundet. Sproß eines alten Adelsgeschlechts, war er ein Mann aufrichtiger und praktischer Frömmigkeit, auch wenn er seinem Freund intellektuell nicht das Wasser reichen konnte. Der König, der Noailles vorher nicht gekannt hatte, war bei seiner Ernennung ausschließlich Françoises Empfehlung gefolgt. Er war als Bischof von Châlons ein vorbildlicher Seelsorger gewesen, und Ludwig hatte daraus vertrauensvoll geschlossen, daß er dies wohl auch als Erzbischof von Paris sein würde.
Nachdem es den Anschein hatte, als sei das Abenteuer der »reinen Liebe« in Saint-Cyr ein wohlgehütetes Geheimnis, und nachdem nun auch noch Noailles eingebunden worden war, fühlte Françoise sich doppelt – und verfrüht – gesichert. Nur vier Monate später, gegen Ende des Jahres 1695, wurde sie jäh aus ihrer Gelassenheit gerissen. Denn Jeanne Guyon befand sich, anders als man glaubte, nicht im fernen Bourbon, um dort eine Kur zu machen. Sie hatte sich seit ihrem Prozeß im Juli die ganze Zeit versteckt in Paris aufgehalten und war plötzlich wieder präsent.
Madame Guyon wurde umgehend verhaftet und in die Festung Vincennes gebracht, um durch den Polizeichef Nicolas de La Reynie vernommen zu werden, der sich freute, nach der langen Phase relativer Ruhe, die auf das Ende der Giftaffäre gefolgt war, wieder einmal seine Fähigkeiten als Ermittler ausspielen zu können. Der König, wiewohl nicht sonderlich an Madame Guyon interessiert, bat
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