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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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verdächtigen neuen Doktrin »reinzuwaschen wünschte«. Doch Bossuet, »der Adler von Meaux« mit seinem berühmten mächtigen Theologenverstand, entpuppte sich, was die mystische Tradition der Kirche betraf, als völliger Ignorant; er hatte nicht ein Wort von dem heiligen Franz von Sales oder gar von dem heiligen Johannes vom Kreuz, dem großen mystischen Theologen, gelesen. So waren ihm denn auch die Ideen von Madame Guyon völlig neu; er fand sie interessant, und über die Dame selbst befand er, sie sei wirklich erleuchtet, nur sei sie, wie er gleichzeitig anmerkte, als Mitglied »des schwächeren Geschlechts« aus der Reihe getanzt, als sie sich bemühte, »eine Doktrin zu entwickeln und zu lehren
832 «. Er regte an, die Lehre von der »reinen Liebe« von einem Kreis von Kirchenmännern offiziell prüfen zu lassen, wozu es freilich der Genehmigung des Königs bedürfe.
    Die Prüfung begann Anfang 1694 und dauerte bis zum Ende des Jahres. Madame Guyons Lehren wurden verurteilt, doch die Dame selbst wurde vom Verdacht auf ketzerische Absichten freigesprochen, woraufhin sie in dem Badeort Bourbon Zuflucht zu suchen schien. Zumindest nach au
ßen hin unterwarf Fénélon sich dem Urteil mit Anstand, und Françoise gratulierte sich dazu, daß die Affäre endgültig von Saint-Cyr abgewendet worden war und der König von den unorthodoxen Dingen, die sich in ihrem persönlichen Bereich abgespielt hatten, noch immer nichts ahnte.
    Im Laufe des Jahres erfuhr Ludwig jedoch von einem politischen Traktat, der Kritik an seiner Herrschaft übte und angeblich von Fénélon stammte – möglicherweise durch die kürzlich erfolgte Aufnahme in die Académie Française ermutigt. In dem Schreiben, das in der Form eines persönlichen Briefes an den König gehalten war, wurde dieser übel beschimpft, er mißachte sein leidendes und hungerndes Volk und strebe nach Kriegsruhm gegen König Wilhelm und seine Große Allianz. »Die Minister Eurer Majestät
833 haben Ihren Namen verhaßt gemacht«, tönte der Brief. »Diese gloire … ist Ihnen lieber als die Gerechtigkeit … Sie lieben Gott nicht«, hieß es weiter. »Ihre Furcht vor Ihm ist die eines Knechts; nicht Gott fürchten Sie, sondern die Hölle. Ihre Religion besteht nur aus abergläubischen Vorstellungen und äußerlichen kleinen Gewohnheiten … Bei winzigen Details sind Sie gewissenhaft, doch bei grauenvollen Übeln sind Sie verhärtet.«
    Es ist sehr unwahrscheinlich, daß Ludwig selbst diesen Brief überhaupt gesehen hat, zumindest in jener Zeit, denn Fénélon behielt seinen Posten als Erzieher des Herzogs von Burgund und stellte sich sogar darauf ein, dieselbe Rolle für die jüngeren Brüder des Herzogs zu spielen. Und einige Monate später ernannte der König den »fähigen und frommen« Fénélon auf Betreiben von Françoise zum Erzbischof von Cambrai, der reichsten Erzdiözese Frankreichs. Aus Françoises Sicht mochte das Erzbistum ein Zeichen ihres fortbestehenden Respekts vor Fénélon sein, vielleicht auch ein Bestechungsgeschenk, damit er über die Affäre der »reinen Liebe« in Saint-Cyr den Mund hielt, oder gar ein Mittel, ihn für einige Zeit auf sichere Weise loszuwerden, denn we
gen des neuen Amtes würde er bis zu neun Monate im Jahr dem Hof fernbleiben müssen. Sie selbst stand jedenfalls nach wie vor erkennbar in höchster Gunst beim König und freute sich über die schönen neuen Gemächer im Schloß Marly, auf das Ludwig sich am liebsten zurückzog. Alles schien gut zu sein.
    Einige Wochen nach Fénélons Bischofsweihe, die in der Kapelle von Saint-Cyr stattgefunden hatte, verzeichnete der König den Tod des sittenlosen alten Erzbischofs von Paris, Harlay de Champvallon, der seine Eheschließung mit Françoise geleitet hatte. Der Erzbischof, zweiundsiebzig, war offenbar in den Armen seiner Mätresse einem Schlaganfall erlegen, was bei den meisten Höflingen ein Kichern auslöste, während sich nur sehr wenige über den möglichen Inhalt seiner Grabrede Gedanken machten. »Der Erzbischof von Paris
834 «, begann Spanheim, der jedoch nicht verpflichtet war, seine Ansichten öffentlich zu machen, »hatte alle Vorteile, die man aus einer begüterten Herkunft, einem attraktiven Äußeren, geistigen Vorzügen, einem Ruf für Eloquenz und Gelehrsamkeit, der Würde seines Amtes und nicht zuletzt der Gunst seines Königs ziehen kann … Man erinnert sich allerdings mehrerer Fälle eines skandalösen Verkehrs mit den Äbtissinnen von Pontoise und d'Ardely und an

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