Madame Hemingway - Roman
hingen zu sehr aneinander. Wir liebten uns zu sehr.«
»Kann man jemanden denn zu sehr lieben?«
Er schwieg einen Augenblick, und ich konnte das Rauschen in der Leitung hören, ein leises Knistern, das für jedes spitze Ding zu stehen schien, das zwischen uns getreten war. »Nein«, sagte er schließlich in sanftem, sachlichem Tonfall. »Das war es nicht. Ich habe es ruiniert.«
Ich spürte, wie sich mein Hals zusammenzog, doch ich versuchte, mich zu fangen. Wir beide taten es. Wir sprachen noch eine Weile über Paris und dann über Bumby, den wir nun schon seit langem Jack nannten, und seine frischgebackene Ehefrau Puck und blieben auch noch lange am Telefon, als schließlich schon alles gesagt war.
»Pass auf die Katze auf«, sagte er, bevor er auflegte, und meinte damit mich. Ich hängte den Hörer auf, ließ mich aufs Sofa fallen und überraschte mich selbst damit, dass ich in Tränen ausbrach.
Später an diesem Nachmittag gingen Paul und ich auf dem langen Weg zum Fluss und warfen unsere Angelschnüre aus, gerade als es begann, von Insekten nur so zu wimmeln, und das Licht sich veränderte. Es war unsere Lieblingszeit am Tag, diese Zeit dazwischen, und sie schien immer länger zu dauern, als sie sollte – ein magischer lavendelfarbener Ort, der losgelöst von den Stunden davor und danach war, zwischen den Welten. Ich hielt meine Angelrolle fest, spürte einen Zug an der Schnur und war wieder in Köln mit Ernest und Chink. Wieder bei meinem ersten Fisch, ohne den es all die anderen Fische nicht gegeben hätte, und bei meiner ersten Liebe, ohne die es auch keine andere gegeben hätte.
An einem Sonntag im Juli bekamen wir den Anruf von Ernests Frau Mary, die uns mitteilte, dass er sich erschossen hatte. Er war früh aufgestanden, hatte seinen roten Lieblingsmorgenmantel angezogen und war mit einem seiner Lieblingsgewehre in die Eingangshalle gegangen. Dort stellte er sich in einen Lichtkreis, richtete den Lauf auf sich und drückte ab.
Mir entging nicht die Ironie dabei, dass sich mein Vater und im Jahre 1928, als Ernest erst neunundzwanzig war, auch sein eigener Vater auf genau dieselbe Weise umgebracht hatten. Vielleicht war es auch gar keine Ironie, sondern die reinste und traurigste Form von Geschichte. Ernests Vater benutzte eine Pistole aus dem Bürgerkrieg. Später würde sein Bruder Leicester ebenfalls eine Pistole verwenden. Seine Schwester Ursula nahm Tabletten. Bei so vielen Verlusten beginnt man sich zu fragen, ob es ihnen im Blut lag, ob ein dunkler Magnet einen Körper in diese Richtung zieht – vielleicht schon von Anbeginn an.
Ich konnte nicht so tun, als würde mich Ernests Tod überraschen. Ich hatte aus verschiedenen Quellen von dem Sanatoriumsaufenthalt in Rochester und den Schocktherapienerfahren, Ernests Zusammenbruch, wie er selbst es nannte. Der Tod hatte stets drohend in seiner Nähe gelauert.
»Kann ich irgendetwas für dich tun?«, fragte Paul nach einer Weile, nachdem er einen Schritt zurückgetreten war und seine Hände auf meine Schultern gelegt hatte.
»Nein«, sagte ich, und meine eigene Stimme stand merkwürdig abgesondert im Raum. Tatie war tot. Paul konnte gar nichts für mich tun, außer mich gehen zu lassen – zurück nach Paris und Pamplona und San Sebastián und zurück nach Chicago, als ich noch Hadley Richardson war, ein Mädchen, das aus dem Zug stieg, um den Mann zu treffen, der ihr Leben verändern würde. Dieses Mädchen, dieses unglaublich glückliche Mädchen, brauchte nichts.
Anmerkung zu den Quellen
Auch wenn Hadley Richardson, Ernest Hemingway und andere Personen, die tatsächlich gelebt haben, in diesem Roman als fiktionale Charaktere auftauchen, war es mir ein Anliegen, die Details ihres Lebens so akkurat wie möglich wiederzugeben und dem gut dokumentierten historischen Ablauf zu folgen. Die wahre Geschichte der Ehe der Hemingways ist so dramatisch und fesselnd und wurde von Ernest Hemingway selbst in
Paris – Ein Fest fürs Leben
so wunderbar behandelt, dass ich mir vornahm, tiefer in die Gefühlswelt der Figuren vorzudringen und neue Einblicke auf historische Begebenheiten zu gewähren, während ich den Fakten stets treu blieb. Dabei waren eine Reihe von Quellen sehr hilfreich für mich, darunter
Hadley: The First Mrs. Hemingway
von Alice Hunt Sokoloff,
Hadley
von Gioia Diliberto,
Die Frauen Hemingways
von Bernice Kert,
Hemingway: Die Geschichte eines abenteuerlichen Lebens
und
Ausgewählte Briefe 1917–1961
von Carlos Baker,
Hemingway: The
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