Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
Vom Netzwerk:
ungezähmten Gesprächen geformt, und niemand sollte es wagen, zu behaupten, dieser Ort gehöre uns nicht. Zusammen hatten wir all das aufgebaut, und zusammen sprengten wir es wieder in Stücke.
    Manche meinten, ich hätte härter oder länger um meine Ehe kämpfen sollen, aber am Ende fühlte sich der Kampf um eine verlorene Liebe an, als würde ich versuchen, in den Ruinen einer untergegangenen Stadt zu leben. Ich ertrug es nicht, also trat ich zurück – und dazu war ich nur aus einem einzigen Grund imstande, war stark genug und hatte genügend Mut und Stehvermögen: weil Ernest mich verändert hatte. Er hatte mir geholfen, zu sehen, wer ich wirklich war und was ich vermochte. Nun, da ich wusste, wie viel ich ertragen konnte, musste ich es ertragen, ihn zu verlieren.
     
    Im Frühjahr 1927 reisten Bumby und ich in die Staaten, um einmal aus Paris und von allem, was dort noch an uns zerren konnte, fortzukommen. Wir lebten ein paar Monate in New York und stiegen dann in einen langen Zug, der langsam durchs Land kroch und uns schließlich in Carmel in Kalifornien absetzte. Ich mietete uns ein Haus in einem Kiefernhain in Strandnähe. Der Himmel schien dort kein Ende zu nehmen, die Zypressen waren vom Wind verbogen, und die Sonne gab mir Kraft. Dort erfuhr ich, dass Ernest und Pauline in Parismit einer kleinen katholischen Zeremonie geheiratet hatten. Irgendwie hatte Ernest es fertiggebracht, den Priester davon zu überzeugen, dass er katholisch war und seine erste Ehe nicht zählte, da sie von einem Methodistenpfarrer geschlossen worden war. Ich las diese Neuigkeiten an einem der seltenen bewölkten Tage im Mai, während Bumby mit seiner Schaufel einen Graben im Sand aushob. Das Meerwasser lief zu beiden Seiten hinein, und die Sandwände lösten sich schon wieder auf, während sie noch geschaffen wurden. Der Anblick machte mich traurig, also ging ich mit dem Brief hinunter an den Rand des Wassers. Hinter der Brandung wurden die grauen Wellen nach und nach so weiß wie der Horizont, und alles verschmolz mit allem. Hinter all diesem Wasser bauten Ernest und Pauline sich gerade irgendwo ein gemeinsames Leben auf. Er und ich hatten unsere Zeit gehabt, und auch wenn sie mir noch sehr nah und real vorkam, wie der schönste und ergreifendste Ort auf der Landkarte, war sie doch in Wirklichkeit eine andere, längst vergangene Zeit – ein anderes Land.
    Bumby kam zu mir und presste sein salzig-feuchtes Gesicht in meinen Rock.
    »Sollen wir ein Boot basteln?«, fragte ich ihn.
    Er nickte, und ich faltete Ernests Brief, knickte und glättete die Kanten, bis es stabil genug wirkte. Ich gab es Bumby, und gemeinsam wateten wir in die Brandung und ließen das Boot fahren. Es hüpfte und sank, Worte auf dem Wasser, und als die Wellen es nach und nach mit sich nahmen, weinte ich nur ein kleines bisschen, dann war es fort.

Epilog
    Nach unserem Sommer in Carmel kehrten Bumby und ich nach Paris zurück. Er vermisste seinen Vater schrecklich, und ich wusste ehrlich gesagt nicht, wohin ich sonst gehen sollte.
    Nach ein paar Monaten dort begann ich eine Beziehung mit Paul Mowrer, einem alten Bekannten von Ernest aus seiner Journalistenzeit. Paul war Auslandsredakteur der
Chicago Daily News
und auch ein ausgezeichneter Dichter. Er hatte in Lausanne mit Ernest zusammengearbeitet, und ich hatte ihn damals ein paar Mal gesehen. Kurz nach der Trennung von Ernest lief ich ihm in einem Tennisclub über den Weg, und er lud mich nach meinem Spiel auf ein Bier im Café de l’Observatoire ein. Er hatte Interesse an mir und machte das behutsam deutlich, doch ich brauchte erst einmal Zeit zum Nachdenken. Ein großer Teil von mir gehörte immer noch zu Ernest, und ich war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder einen anderen Mann wirklich lieben konnte. Aber Paul war unglaublich liebenswürdig und auch geduldig, und er hatte diese wunderbar klaren, mittelmeerblauen Augen, in denen man sich verlieren konnte. An Paul war nichts kompliziert. Er war solide und ausgeglichen und verströmte eine Aura der Stille. Ich wusste, dass er mich für immer lieben und niemals ins Unglück stürzen würde, nicht einmal ein bisschen. Ich musste es einfach nur geschehen lassen.
    Im Frühjahr 1928 zogen Ernest und Pauline in die Staaten. Pauline war im fünften Monat schwanger, und sie fuhren zunächst nach Piggott und dann nach Key West, wo laut Dos Passos der beste Ort der Welt war, um Tarpune zu fischen. Pauline würde ihnen ein Haus kaufen und alles ganz

Weitere Kostenlose Bücher