Madame Zhou und der Fahrradfriseur
Luxusartikel wie Nutella oder Haribo.
Die Pekingente
ODER:
Wo ke yi chang chu lan duo de zi wie – Ich glaube die angenehme Süße des Faulseins zu schmecken
Am nächsten Tag fährt mich Klaus zu dem Treffen mit dem uns noch unbekannten chinesischen Schriftsteller. Er hat zum Essen in eines der hauptstädtischen Restaurants eingeladen, in denen die Pekingente – sozusagen als lukullisches Kunstwerk – noch traditionell auf kaiserliche Art zubereitet wird. Das Restaurant befindet sich in der Nähe des dritten Stadtrings, der insgesamt fast 50 Kilometer lang ist. Die Hochhäuser in dieser Gegend sind noch höher, stehen noch enger und erscheinen mir noch bedrohlicher, weil sie sich in den Glasfassaden gegenseitig spiegeln und dadurch vervielfachen. Eines ragt als Ruine aus einem architektonisch ungewöhnlich modern aussehenden Komplex heraus, in dem die Verbindung von zwei Häusern aus einer hängebrückenähnlichen Betonkonstruktion besteht.
Ich frage Klaus grienend: »Hat man hier begonnen, die Hochhäuser abzureißen, um Platz für neue Hutongs zu schaffen?«
»Nein, die Ruine gehört zum Ensemble des neuen Medienzentrums des chinesischen Staatsfernsehens, das international bekannte Architekten aus Holland und Deutschland entworfen und Chinesen gebaut haben. Übrigens für fast 1 Milliarde Dollar. Dieses Hochhaus war vor den Olympischen Spielen als Hotel und Aufnahmestudio errichtet worden, ist aber bei einem Feuerwerk zum chinesischen Neujahrsfest im Februar 2009 abgebrannt.«
Das zweistöckige Pekingenten-Lokal »Li Li« steht neben alten Plattenbau-Wohnhäusern, an denen die Stromleitungen immer noch bündelweise vor den Fenstern baumeln, ein großer Transformator hängt an einem Balkon. Rote Lampions schmücken den Baldachin vor dem Restauranteingang. EinKellner öffnet uns die Tür, ruft etwas in das Innere des Hauses, und eine Frau, die sich als Chefin der Gastronomie vorstellt, sagt, dass Herr … (die Auslassungspünktchen werde ich später erklären) im Restaurant auf uns wartet.
Er ist, das fällt mir zuerst auf, nicht schwarzhaarig. Sein zu einer Igelfrisur gestutztes schütteres Haar, das zu seinem spitzbübischen Lächeln passt, glänzt silbern. Nur die Brauen über der Brille mit den dicken Gläsern sind noch schwarz. Zum Begrüßungsritual steht er auf, deutet eine leichte Verbeugung an und tauscht, mit beiden Händen gebend und mit beiden Händen nehmend, seine Visitenkarte gegen die von Klaus. Ohne Visitenkarte ist man in China ein Niemand, hatte mir Klaus gesagt. Ich bin ein Niemand, doch die beiden sehen großzügig darüber hinweg.
Wir trinken Kaffee und berichten über das Woher, Wohin, Wann und erzählen Lebensläufe in Kurzform. Dabei spricht der silberhaarige Chinese sehr schnell, überspringt oft mir wichtig erscheinende Stationen und beschreibt dafür irgendwelche Einzelheiten in aller Ausführlichkeit. Wie die von einem neuen chinesischen Fahrer in Bonn, der sich auf dem Trödelmarkt einen Aschenbecher kaufen wollte. Er fragte den Händler nach dem Preis. Der beschrieb mit abgespreiztem Daumen und Zeigefinger eine 2, die der Chinese aber, weil Daumen und Zeigefinger im rechten Winkel gehalten in China eine 8 bedeuten, nicht akzeptieren wollte. Er fing an zu handeln, wollte auf keinen Fall 8 DM bezahlen, höchstens, und er zeigte es an den Fingern, drei. Der Händler blieb bei seiner Zwei und konnte nicht verstehen, weshalb der Chinese mehr bezahlen wollte. Der Kauf des Aschenbechers beim Trödler in Bonn kam wegen scheinbar unüberwindlicher Gegensätze nicht zustande. »Und mein Fahrer schimpfte tagelang auf die überhöhten Preise der deutschen Kaufleute.«
Alles andere in Kurzfassung: Geboren 1943 in einem bekannten Badeort am Meer. Sieben Geschwister. Der Vater warParteisekretär des Ortes. In der Kulturrevolution … Er stockt in seinem Bericht. Sagt nur, die Mutter sei zwei Jahre später gestorben. Er studierte damals Germanistik und arbeitete danach »kulturpolitisch« in Europa. Er hat Essays über die Stadt Bonn und den Geist von Potsdam geschrieben, auch Gedichte in deutscher Sprache. Eines davon ist in einer Anthologie veröffentlicht, die Günter Kunert herausgegeben hat.
Unser Gastgeber bricht ab, sagt, es sei nun Zeit, über die gemeinsame Reise zu sprechen. Ich könnte mit ihm im Zug nach Tai’an, dem heiligen Ort, fahren, dann weiter nach Jinan, einige Tage dort bleiben, mit einem taoistischen Abt, einem Unternehmer, einem Dichter, einem Heiler und dem
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