Madame Zhou und der Fahrradfriseur
interessantem Design: das im Osten gelegene in Form einer Lotosblume, das im Westen einem Weidenblatt nachgestaltet. Dazu Sportplätze, Hallen, Schwimmbecken …
Wir sollten sie uns anschauen, meint der Designer. Nicht nur die Fußballer aus Shandong, sondern auch er hat inzwischen von dem Freundschaftsvertrag mit »Deutschland« profitiert. Dem »Bürgermeister von Bayern« schenkte er bei dessen Besuch in Jinan eine Fußreflexzonenmassage. Und die hat, nun sagt er, »dem Vater von München«, so gut getan, dass der ihm danach behilflich war, in Bayern drei Massagesalons zu eröffnen. Die Städte, in denen sie sich befinden, kann er nicht namentlich aufzählen. Er bleibt immer im Hintergrund, sagt er, und hat dort seine Geschäftsführer.
Während unserer Gespräche schweigt der Kommunalpolitiker. Er redet nur ab und an mit Herrn Wu Ming. Kuni übersetzt, dass er der Vertreter der »Demokratischen Partei« von Shandong ist.
»Gibt es außer der Kommunistischen Partei inzwischen eine zweite chinesische Partei?«, frage ich ungläubig.
»Ja, außer der Demokratischen Partei, die 1998 gegründet wurde, gibt es in China weitere 7 Parteien.«
Es sind Parteien, die nicht gegen die Kommunistische Partei, sondern in ihrem Sinne arbeiten.
»Viele der Unternehmer sind heute schon Mitglied der Kommunistischen (früher Arbeiter-und-Bauern-) Partei geworden. In der ›Demokratischen Partei‹ versammeln wir parteilose Manager, Intellektuelle und Geschäftsleute, die, ohne Mitglied der KP sein zu müssen, in wichtigen Fragen die Entwicklung Chinas mitbestimmen wollen.«
»Und die das Geld haben, damit der ›Demokratische Verein‹ seinen Einfluss in der Gesellschaft verstärken kann«, ergänzt Herr Wu Ming. »Auch einen meiner Söhne haben sie schon geworben.«
Zum Abschied stimmt die Opernsängerin »Herrlicher Baikal« an. Und zumindest Herr Wu Ming, Sang Hengchang und ich und können mitsingen oder die fehlenden Textstellen summen.
Mein »Di Di, jüngerer Bruder« macht uns den Abschied leicht. »Es ist doch kein Abschied. Du nimmst mich in meinen Gedichten mit.«
Viel länger dauert am nächsten Tag das Auschecken im Hotel. Ich stehe mit Sack und Pack vor dem Eingang und warte auf das Auto, das uns zum Bahnhof bringen soll. Als ein schwarzer Opel hält, der Fahrer den Schlag öffnet und ich mein Gepäck in den Kofferraum legen will, hält mich Herr Wu Ming zurück. »Alle Autos mit einer Null vor der eigentlichen Kennzeichennummer gehören hohen Beamten der Polizei und den Staats- und Parteibehörden.« Sie werden nicht kontrolliert. »Aber nach Protesten hat man in einigen chinesischen Provinzen diese Privilegien bereits abgeschafft. Dort gibt es keine Null-Nummern mehr.«
Als wir abfahren wollen, steht Kuni immer noch diskutierend am Hotel-Empfang und beteuert, dass sie weder eine Tasse zerbrochen noch eine gestohlen hat. Wahrscheinlich sei die in ihrem Zimmer vermisste Tasse während der Fernsehaufnahmen beim Teetrinken in meinem Zimmer stehengeblieben. Der Empfangschef telefoniert wieder und wieder.
Abreisen darf man erst, wenn die Etagenfrau kontrolliert und bestätigt hat, dass sich noch alle Gegenstände wie Kleiderbügel, Kissen, Handtücher, Tassen, Wasserkocher usw. im Zimmer befinden. Die Tasse steht auch nicht in meinem Zimmer. Damit wir nicht noch den Zug verpassen, schlage ich vor, sie zu bezahlen. Doch Herr Wu Ming lehnt das kategorisch ab und verlangt stattdessen, dass der Preis auf die Gesamtrechnung gesetzt wird.
»Unsere Rechnung begleicht der Herr Unternehmer Xuan Jiaguo.«
Noch bevor ich fragen kann, ob ich richtig gehört habe, sagt Herr Wu Ming in mein Staunen hinein: »Ja, Herr Xuan Jiaguo hat unsere Reise nach Tai’an und Jinan gesponsert.«
Ich entgegne, dass wir keine potentiellen Geschäftspartner für ihn sind. Und ich auch nicht über einflussreiche Beziehungen in Deutschland verfüge.
»Welchen Vorteil hat er sich durch die Bezahlung unserer Reise erhofft?«
»Keine. Außer dass wir zusammen gute Gespräche hatten und er einen ausländischen Gast mit chinesischen Menschen bekannt machen konnte.« Fast tröstend setzt er hinzu: »Mit der Zeit, Herr Scherzer, werden Sie alles begreifen.«
Auf der Fahrt zum Bahnhof zeigt uns der Chauffeur aus der Ferne die neuen Sportstätten, und er sagt stolz: »Die Anlagen erstrecken sich über 47 Hektar.«
47 Hektar in der Stadt der Quellen aufgerissen.
Das größere Stadion hat Platz für 60 000 Zuschauer. »Doch schon bei den
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