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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Ich musste mir aufschreiben, was ich am Vormittag machte, damit ich es am Nachmittag noch wusste. Ich hatte das Allerschwerste gewollt. Aber nicht das!«
    Nach drei Jahren in Tibet wurde er schwerkrank. »Ich bekam am Körper braune Flecken, hatte hohes Fieber. Erst dachte man, es sei Lepra. Ich wurde nach Peking zurückgebracht. Dort stellten die Armeeärzte fest, dass es zwar keine Lepra war, aber eine seltene Krankheit, an der von 1,3 Milliarden Chinesen nur rund 20 Menschen leiden. Die Ärzte sagten mir, dass ich wahrscheinlich nicht einmal mehr zwei Jahre leben werde. Ich glaubte es nicht, ich wollte die Prognose dieser Ärzte nicht akzeptieren – ich war doch erst 30 Jahre alt! Ich ging nach Shandong zu einem alten Heiler, der die Traditionelle Chinesische Medizin beherrschte. Er konnte mir helfen. Als ich gesund war, schickten mich die Kommandeure der Luftwaffe zurück nach Tibet. Nach nicht einmal einem Jahr erkrankte ich erneut und bat um meine Entlassung aus der Armee. Doch die verantwortlichen Genossen lehnten ab. Sie brauchten junge studierte Kader wie mich sehr dringend für die Radarstationen.
    Manche Soldaten, die oben in den felsigen Bergen Tibets dienten, hatten 4 Jahre lang keinen Baum gesehen. Nach ihrer Entlassung wollten sie so schnell wie möglich nach Hause. Um in das schützende Tal zu gelangen, mussten sie mit den Lastkraftwagen über den Tangolan-Berg fahren. Sie sollten, um einen Tag Zeit zu haben, den Pass am Morgen passieren. Doch in ihrer Ungeduld versuchten sie es schon am Nachmittag zuvor. Ich war dabei, als der Schneesturm sie überraschte. Die Fässer auf dem LKW wirbelten wie Federn durch die Luft. In weniger als zwei Stunden lag der Schneeüber einen Meter hoch. Wer bei dem Sturm fiel, war nicht mehr zu retten. Ein Soldat schaffte es, mich in das Auto zu ziehen. Andere sind erfroren.
    Manchmal wollte ich in Tibet schreien: ›Erde halt an, ich will aussteigen!‹ Aber sie hielt nicht an. Leben ist dort schlimmer als Sterben. Während der 6 Jahre in Tibet habe ich kein einziges Gedicht geschrieben.«
    Der Kameramann macht eine Pause. Er gießt zum zweiten Mal kochendes Wasser auf die Teeblätter.
    1973 wurde Sang Hengchang aus der chinesischen Volksbefreiungsarmee entlassen. Er arbeitete zunächst zwei Jahre in einer Porzellanfabrik. Dann zeigte er einem Chefredakteur seine Gedichte und wurde als Journalist eingestellt.
    »Mit 60 bin ich 2001 in Rente gegangen. Zwei Mal konnte ich mit Hilfe meiner Freunde Deutschland besuchen.«
    Der Redakteur des Shandonger Fernsehens bittet den Poeten, nicht nur über sein Leben, sondern auch über seine Poesie zu sprechen. Sang Hengchang entgegnet: »Meine Poesie, das ist mein Leben. Ein Schriftsteller muss immer leidenschaftlich schreiben, und ich habe immer leidenschaftlich gelebt.«
    »Man sagt, wenn jemand zu einer Feier eine attraktive Frau mitbrachte, schrieb Herr Sang Hengchang sofort ein Gedicht auf diese Schönheit. Wie viel Frauen haben Sie mit Gedichten erobert?«, fragt der junge Kameramann.
    »Viele. Aber keine hat zugegeben, dass es eines Gedichtes wegen war.«
    »Herr Sang Hengchang, was ist für Sie ein guter Tag?«, frage ich.
    »Wenn ich frühmorgens die Zeitung aufschlage und darin ein Gedicht von mir lese.«
    »Und ein schlechter Tag?«
    Er lächelt: »Wenn ich dich, Di Di, meinen älteren Bruder, nicht sehen kann.«
    »Was wünschen Sie China für die Zukunft?«
    »China ist ein sehr altes Land. Doch im Gegensatz zu einem alten Mann sollten aus China wie aus einem 100-jährigen Baumstamm immer wieder neue Triebe wachsen, denn man darf sich nicht nur am Vergangenen festhalten. Die Kulturrevolutionäre – es gab verschiedene Gruppen, ich unterstützte damals diejenigen, die die Korruption der Parteifunktionäre, den Amtsmissbrauch und die Bereicherung auf Kosten des Volkes bekämpften –, also die Kulturrevolutionäre verdammten die Lehren des Konfuzius. Alles, was an Konfuzius erinnerte, war schlecht und wurde vernichtet. Aber heute ist all das plötzlich wieder gut. Doch wenn nichts Neues aus dieser alten Lehre wächst? Konfuzius lehrte auch, dass die Kinder nicht in die Fremde gehen dürfen, wenn die Eltern noch leben, dass Frauen minderwertig sind …
    Soll die Jugend heute nach diesen Gesetzen des Konfuzius handeln? Nur wenn aus dem Alten noch Junges wächst, wird unser China eine starke und sehr lebendige Nation bleiben. Außerdem wünsche ich, dass auch im Ausland begriffen wird: Das chinesische Wunder, den neuen

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