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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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dessen Lebensraum dringen laut der »Legende« plötzlich Flusskrebse (hexie) ein und fressen den »Alpacas« das Gras weg, berauben sie somit der Existenzgrundlage. Diese Geschichte (sie existiert auch als Lied) wurde von vielen Millionen Chinesen abgerufen und weiterverbreitet. Das auch als Plüschtier oder auf T-Shirts verkaufte »Alpaca« wurde in China in kurzer Zeit so populär, dass sich sogar Universitätsprofessoren, Künstler, Wissenschaftler und Oppositionelle in der Öffentlichkeit zum »Alpaca« bekannten.
    Die »Alpaca«-Bewegung entstand, als die chinesische Führung Ende 2009 eine »Anti-Schmutz-Kampagne« startete und über 1000 Web-Seiten mit angeblich pornografischen oder anderen »unmoralischen« Inhalten sperren ließ. »Cao ni ma« diente als Aufhänger, weil es zwar als Schimpfwort (»Fick deine Mutter«) benutzt wird, aber, mit anderen gleichklingenden Schriftzeichen geschrieben, vollkommen harmlos ist: Diegesprochene Silbe »ma« kann gleichzeitig das »Pferd«, aber auch die »Mutter« sein. Ebenso spielt das Wort »hexie« in seiner Doppelbedeutung als »Flusskrebs« und »harmonisch/Harmonisierung« auf eine Verschleierung der Internetzensur an.
    Es gibt im Internet auch User, die sich als »Moralwächter« verstehen und eine »Menschenfleisch-Suche« (»human flesh search«) – das Wort ist abgeleitet von der chinesischen Bezeichnung »renrou sousuo« – inszenieren. Sie spüren Menschen auf, die Kunden betrügen, korrupt sind, stehlen, Freunde belügen, ihre Frauen zur Prostitution zwingen … Und stellen die Gefundenen nicht nur im Internet an den Pranger, sondern verfolgen sie sogar im realen Leben. Das hat eine heftige Diskussion zum Schutz der Privatsphäre im Internet ausgelöst, und es wurde gefordert, dass User und Blogger sich mit ihrem wahren Namen und ihrer Adresse nachprüfbar im Internet anmelden müssen.
    Die chinesischen Parteiideologen rechtfertigen ihre Internetzensur oft mit dem Argument, dass es beispielsweise auch in Deutschland verboten ist, »Mein Kampf« ins Internet zu stellen, dass Seiten mit Kinder- oder Tierpornografie und Aufrufe zu ungenehmigten Demonstrationen oder zum gewaltsamen Sturz des Staates gesperrt werden.
    Ich frage Friederike, wie sie zum Studium der Sinologie gekommen ist. Lachend sagt sie, das Chinesisch-Studium sei zunächst nur eine Art Versuch gewesen. »Tja, und dann hat sich alles immer wunderbar gefügt – immer weiter, immer weiter, bis hin zu meiner jetzigen Arbeit in der Botschaft. Insgesamt kann ich rückblickend sagen, dass ich in meinem Leben eigentlich nie richtig Pech hatte. Ich war immer optimistisch. Auch als ich als 21-Jährige nach China kam und mit meinen dunkelblonden Haaren und blauen Augen so sehr auffiel, dass ich mir manchmal nur eines wünschte: schwarze Haare und braune Augen!«
    Es ist wahrscheinlich ein Wunder, meint sie, dass es sie aus ihrem lippischen Dorf, das nicht einmal 100 Seelen, aber einenPfarrer mit 6 Töchtern hatte, ausgerechnet nach China verschlagen hat. »Ich war die fünfte der 6 Pfarrerstöchter. Alle vermuten immer, dass viele Töchter nur eins bedeuten, nämlich den Wunsch nach einem Sohn. Doch so ist es in unserem Fall nicht. Mama sagt, sie habe sich schon als Kind gewünscht, später mal 6 Töchter zu haben. Und genauso ist es gekommen. Es existiert zwar angeblich eine Schallplatte aus dem Jahr meiner Geburt, auf deren Cover mein Papa mit kleiner Schrift geschrieben hat ›Für Florian‹, aber letztendlich ist es doch kein Florian, sondern eine Friederike geworden. Vor lauter Freude darüber schrieben meine Eltern in meiner Geburtsanzeige dann humorvoll: ›Endlich ein Mädchen!‹ Darunter aufgelistet die Namen meiner älteren Schwestern.«
    Monika unterbricht unser Gespräch mit der Feststellung, dass wir außer Erdnüssen heute Abend noch nichts gegessen haben und es Zeit wird, ein Restaurant aufzusuchen.
    Ich hätte Friederike noch gern gefragt, weshalb sie, die fünfte von 6 Pfarrerstöchtern, ausgerechnet die Sprache Chinas, der letzten Machtbastion einer großen kommunistischen Partei, erlernt hat. Und weshalb sie in China zu studieren und später in Peking zu arbeiten begann. Aber Friederike vertröstet mich auf ein andermal.
    Ich hätte das Gespräch nicht so abrupt beenden müssen, denn Monika hat einen guten Bekannten entdeckt und begrüßt ihn sehr herzlich. Er ist, erklärt sie mir, einer der Marketingchefs von VW in Peking. Um ein Gespräch zu beginnen, könnte ich ihm zu den

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