Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)

Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)

Titel: Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
Vom Netzwerk:
eine Stimme.
    »Ich bin es nur«, sagte Justin. Da wurde mir klar, dass ich Fingerkuppen spürte, die sanft über meine Stirn strichen. Sie sammelten die Splitter meines Bewusstseins ein und fügten sie zusammen. Sie leiteten mich in einen tiefen, stillen Canyon, wo ich Ruhe fand. Ich schaute mich um und stellte fest, dass wir am Ausgang des U-Bahn-Tunnels saßen. Justin hatte den Rücken an die Mauer gelehnt und ich benutzte seinen Körper als Polstersessel.
    »Wie lange sind wir schon hier?«, fragte ich.
    »Du bist eingenickt, und es hat angefangen zu regnen, also habe ich dich ins Trockene getragen«, sagte er. Ich nickte schläfrig. Justin wusste, dass ich wieder in Behandlung war und kaum noch Kraft hatte durchzuhalten. Er umarmte mich fester, sodass ich spürte, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Er flüsterte mir ins Ohr: »Ich hätte dich eigentlich zurück in den Keller bringen sollen, aber ich war nicht bereit, dich jetzt schon loszulassen.«
    Seine Stimme war fest genug, um mich darauf zu stützen. Ich wünschte mir, sie jede Nacht anschalten zu können, während ich einschlief. Ich wollte ihn an mein Bett setzen, damit ich beim Aufwachen als Erstes sein Gesicht sah. Vielleicht konnte ich das alles eines Tages haben. Ich versuchte mir vorzustellen, dass wir zusammenwohnten. Mein Leben musste nicht so bleiben, wie es jetzt war. Manchmal lässt sich die Gegenwart nur aushalten, indem man sich auf die Zukunft konzentriert.
    Draußen schüttete es wie aus Kübeln. Regentropfen fielen vom Beton des Tunneleingangs auf den Boden und versickerten. Sie fingen das Licht der Straßenlaterne auf und schimmerten wie ein Vorhang aus Goldfäden. Die Pfützen hatten sich zu einem kleinen See vereinigt. Tropfen hämmerten darauf nieder und schlugen Hunderte spritzender Dellen in die Oberfläche. Überall platschte und prasselte es, als würden winzige Trommler eine Parade anführen. Justin hielt meine Hand und ich erwiderte die Geste kraftlos. Ich starrte auf die Sinfonie draußen. Ein Feuerwerk aus Wasser.
    Ich atmete tief ein und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. »Wunderschön«, murmelte ich.
    Justin vergrub das Gesicht in meinen Haaren und ich zuckte nicht zurück. Meine Gedanken zogen wie Wolken vorbei, sammelten sich an einigen Orten, nur um gleich wieder zu verpuffen. Ich musste mich anstrengen, sie zusammenzuhalten. Justin drückte meine Hand und holte mich wieder in die Gegenwart. Ich erzählte, dass ich als Kind überzeugt gewesen war, Wasser würde magische Kräfte besitzen.
    »Meine Großmutter hat damals lange Spaziergänge mit mir gemacht«, sagte ich. Meine Stimme hörte sich weit entfernt an, aber ich folgte entschlossen ihrem Klang und ließ mich von ihr führen. »Wir sind oft den Willamette River entlanggewandert. Ich konnte Stunden damit verbringen, mir die Flusskiesel anzuschauen. Unter Wasser sahen sie immer wundervoll aus, glatt und voller Farben. Ganze Nachmittage lang habe ich die Schönsten gesammelt. Aber wenn sie getrocknet waren, hatten sie ihren Glanz verloren. Plötzlich sahen sie nur noch blass, staubig und langweilig aus. Damals hat Wasser für mich eine besondere Magie bekommen. Ich sah, dass es die Welt verändern und die einfachsten Dinge schön machen konnte. Ich war überzeugt, Wasser müsste den gleichen Effekt auf Menschen haben. Noch heute fällt es mir schwer, unglücklich zu sein, wenn ich Wasser sehe. Ein Element, das einen simplen Kiesel in einen Edelstein verwandeln kann, muss ziemlich mächtig sein.«
    Justin nickte. »Ich weiß, was du meinst«, sagte er.
    »Ich hatte noch Jahre später die Angewohnheit, Kiesel zu sammeln«, fuhr ich fort. »Einige liegen zu Hause in einem Glas an meinem Bett. Obwohl sie trocken und verblasst sind, haben sie mich immer daran erinnert, dass es Magie auf der Welt gibt.« Ich stieß einen Seufzer aus und betrachtete den Regen. »Ich wünschte, das Meer würde kommen und mein Leben wegwaschen. Den ganzen Dreck mit sich fortspülen – das Center, meine Erinnerungen –, damit ich frisch und neu von vorne anfangen kann. Wasser hat die Macht, alles zu verändern.«
    »Die hast du auch«, sagte er.
    Lächelnd betrachtete ich den Vorhang aus Regentropfen. »Wieso fühlt es sich so gut an, draußen zu sein?«
    »Für manche fühlt es sich nicht gut an«, erinnerte er mich.
    »Ja, unglaublich«, sagte ich. »Dabei ist die Natur der perfekte Fluchtort. Hier wird nichts von einem erwartet. Man muss sich nicht anpassen, keine Show

Weitere Kostenlose Bücher