Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
und deine Identität wieder ändern. Probier es aus!«
Ich öffnete das Dokument und arbeitete mich auch durch diese Fragen. Da ich mich langweilte, spielte ich mit den Antworten herum. Ich sagte, meine Religion sei Amish. Ich sagte, mein Geschlecht sei Intersexuell. Ich sagte, ich sei 1,25 m groß und würde zur Harfenistin ausgebildet. Ich gab an, dass mein Traumberuf Hundefriseurin sei, mein Lieblingsessen rohe Eier auf Pilzen und meine Freunde müssten unbedingt Motocross-Rennen fahren und kämpfen können wie Ninjas. Ich sagte, meine Hobbys seien Kommunismus und Freie Liebe. Ich schickte die Liste ab.
»Perfekt!«, gratulierte mir das Mädchen. »Jetzt können wir zum nächsten Schritt weitergehen.«
»Ja, fantastisch«, sagte ich.
Die neue Überschrift auf dem Bildschirm lautete:
SCHRITT 2. FINDE NEUE FREUNDE!
»Es ist ganz einfach, lebenslange Kontakte zu finden, die deine Interessen teilen. Bist du bereit, dich in die Welt der sozialen Netzwerke zu wagen?«, fragte sie mit abenteuerlustigem Grinsen.
»Klar«, sagte ich zu dem Bildschirm. Ich blinzelte nur kurz, und da war sie auch schon mit dem Ergebnis der Suchanfrage zurück.
Sie informierte mich, dass sie 4682 Personen gefunden hatte, die zu meinem Profil passten. »Möchtest du sie treffen?«, fragte sie.
»Ja«, sagte ich. Eine Liste breitete sich über sämtliche Wände des Raums aus. Buchstaben, Worte, Namen scrollten um mich herum. Es sah aus wie ein bizarrer Code oder eine DNS -Sequenzierung, die nichts Menschliches mehr hatte.
Das waren also meine neuen Freunde.
»Zeig sie mir«, sagte ich. Die Liste verschwand und an ihrer Stelle erschienen Tausende von Profilbildern. Ich stand inmitten eines Stadiums aus Gesichtern, die mich anstarrten, blinzelten, lächelten, lachten oder auch ernst und würdevoll dreinschauten. Ich konnte jedes beliebige Bild vergrößern, indem ich mit dem Finger darauf zeigte. Natürlich konnte ich auch ihre Fragebögen durchlesen, um zu sehen, was sie auf die Profilfragen geantwortet hatten, und ihren Lebenslauf aufrufen. Ich ließ den Blick über die Menge schweifen. Die meisten vorgeschlagenen Kontakte waren jung, ungefähr in meinem Alter. Ich entdeckte sämtliche Kleidungsstile, Hautfarben und Nationalitäten, die man sich nur vorstellen konnte. Meine Auswahl an Instantfreunden war endlos, ein virtueller Schmelztiegel der Kulturen.
»Wollen wir mit Schritt 3 fortfahren?«, fragte das Mädchen.
Langsam fand ich das Ganze nicht mehr witzig. Ich presste die Lippen zusammen. Das Center hatte mir eine monatelange Gehirnwäsche verpasst und das hier war das Ergebnis? Dachten sie wirklich, sie könnten mich so weit verdummen, dass ich diese Farce für ein Leben hielt?
»Fang an«, sagte ich.
SCHRITT 3. DEINE AUFREGENDE NEUE PR!
»Jetzt ist der Augenblick gekommen, um dich zu vermarkten«, erklärte sie. »Menschen sind wie Produkte. Wenn du von anderen gesehen werden willst, brauchst du einen guten Platz im Verkaufsregal. Sorg dafür, dass du auffällst! Mach Reklame für dich! Denk dir Werbeslogans aus, damit dein neues Ich viele Freunde, Kollegen und Partner findet.«
Darauf folgte ein Designprogramm, mit dem ich ein Image für mich entwerfen konnte. Ich benutzte das Programm FacePaint, mit dem man sein Aussehen nach Wunsch verändern konnte. Als Vorlage nahm ich ein Foto aus meinen Speicherdaten, das ungefähr anderthalb Jahre alt war und mich im Garten mit meinem Hund Baley zeigte. Ich schnitt uns beide aus und vergrößerte das Bild. Dann zauberte ich Altersflecken auf meine Haut und Fettröllchen an Hals und Arme. Ich malte mir graue Strähnen in die Haare und schrumpfte mich auf halbe Größe. Ich rückte meine Augen näher zusammen, verlängerte meine Nase und verpasste mir mehrere braune Zähne. Ich übersäte mein Shirt mit Schmutzflecken. Ich zog meine Mundwinkel herunter. Ich tätowierte mir eine zerquetschte Bierdose auf den Bizeps. Ich spielte mit dem Bild meines Hundes herum, bis es aussah, als hätte ich den Arm um ein Schwein gelegt, das neben mir hockte. Als ich fertig war, fügte ich das Bild meinem Profil hinzu und stieß ein glückliches Lachen aus.
SCHRITT 4. LOG DICH EIN!
Ein riesiger Knopf mit der Aufschrift Enter erschien auf dem Bildschirm und blinkte auffordernd. Nachdem mein Ich sein Re-Branding erhalten hatte, wurde es Zeit, in die digitale Welt zurückzukehren. Die Werbekampagne konnte beginnen.
»Enter«, sagte ich. Zum ersten Mal seit Monaten wurde ich online geschaltet … und
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