Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
sofort begrub mich ein Bombardement aus Einladungen, Chat-Anfragen, Reklame, Partyflyern, Ehrenamtsjobs, Lerngruppen, Praktikumsplätzen und Fitnessangeboten. Die Centersimulation des Internets war sogar so nett, mir eine Date-Anfrage zu schicken. Sehr schmeichelhaft.
Ich blinzelte ungläubig die Wände an. Wenn ich auf dieses ganze Feedback antworten sollte, würde ich mindestens eine Woche brauchen. Aber genau darin lag wahrscheinlich der versteckte Sinn der Sache. Ich würde mein gesamtes Leben damit verbringen, Freunde auszusieben, in Homevideos zu browsen, die neuste Musik auszuprobieren, die coolsten Filme zu schauen, mich für Shoppingartikel zu entscheiden. Wenn ich wollte, konnte ich all meine Zeit dieser Scheinwelt widmen, in der ich nichts zu fürchten hatte und niemand mich verletzten würde. Ich wäre nur ein weiteres Mädchen im virtuellen Kokon.
Ein Leben im Schlaraffenland. Ein Utopia. Also, warum fühlte ich mich innerlich so leer, wenn ich daran dachte?
Die Tür öffnete sich summend und sofort klopfte mir das Herz bis zum Hals. Die zwei Stunden waren noch längst nicht vorbei. Den Complete -Knopf hatte ich auch nicht gedrückt. Ich versuchte, die Bildschirme zu löschen, aber sie hörten nicht auf meine Befehle. Dr. Stevensons Absätze klickten laut, als sie durch die Tür trat. Dann verstummte das Geräusch. Ich drehte mich um und sah die Ärztin auf die Wände starren. Sie betrachtete finster meinen Stundenplan. Dann las sie mit giftiger Miene meinen Profilbogen durch. Zuletzt fiel ihr Blick auf mein Foto und ihre Lippen wurden so schmal, dass sie fast verschwanden. Ich entdeckte keine Spur von Humor auf ihrem Gesicht.
Sie drehte sich zu mir um, damit ich ihr eine Erklärung liefern konnte.
»Ich dachte, das sei nur eine Übung. So zum Spaß«, sagte ich und begann an meinen Nägeln zu kauen.
»Findest du unsere Methoden etwa komisch?«
Ich gab keine Antwort, aber mein Blick huschte zu den Wänden, die deutlich genug zeigten, was ich von den Centermethoden hielt. Kalte Wut blitzte in ihren Augen auf und ich verlor auf einen Schlag all mein Selbstbewusstsein. Jetzt wurde mir klar, was für einen enormen Fehler ich begangen hatte. In der vergangenen Stunde hatte ich keine Online-Registrierung ausgefüllt, sondern einen Test, mit dem das Center meine Angepasstheit prüfte.
»Das sollte doch nur witzig sein«, sagte ich. »Humor zu haben ist kein Verbrechen, oder?«
»Weshalb strengst du dich so an, das DS -System zu verspotten?«
Ich warf ihr einen widerspenstigen Blick zu. »Weshalb strengen Sie sich so an, allen eine Gehirnwäsche zu verpassen, die mit dem DS -System nicht einverstanden sind? Man kann Menschen nicht programmieren. Es wird immer Leute geben, die dagegen ankämpfen«, sagte ich.
»Das ist doch sinnlos, Madeline. Du feuerst aus allen Rohren auf ein kugelsicheres Ziel. Am Ende wird immer gewinnen, wer das Recht auf seiner Seite hat.«
Ich nickte, denn da waren wir ausnahmsweise der gleichen Meinung.
Sie schaute auf die Bildschirme und dann zurück zu mir. »Ich werde deine Behandlung um vier Wochen verlängern. Von jetzt an treffen wir uns zwei Mal pro Woche. Außerdem werde ich sämtliche Online-Zugänge sperren. Du bist offensichtlich noch nicht bereit, in die Gesellschaft zurückzukehren.«
Mein Körper versteifte sich vom Hals bis zu den Zehen. »Aber ich bin schon seit Monaten hier. Meine verordnete Therapiezeit muss doch langsam zu Ende sein.«
»Du bildest dir gerne ein, dass du hier das Sagen hast. Offenbar sind wir nicht zu dir durchgedrungen. Noch nicht. Aber keine Sorge, wir haben hier eine hundertprozentige Erfolgsquote. Niemand verlässt das DCLA , ohne geheilt worden zu sein. Ich werde dich wohl zu meinem persönlichen Projekt machen müssen.«
Kapitel Neunzehn
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Ich wachte auf und die Gedanken bewegten sich durch meinen Kopf wie Wasser durch ein Flussbett. An einigen Stellen plätscherten sie träge dahin, an anderen strudelten sie hastig vorbei. Sie bildeten verwirrende Strudel hinter meiner Stirn. Sie überschwemmten mein Bewusstsein bis zum Überlaufen.
Meine Lider flatterten auf. Etwas hatte sich verändert. Ich fühlte mich, als würde ich im Inneren einer Wolke schweben, warm, weich und schwerelos. Keine Albträume. Kein kalter Schweiß. Aber trotzdem gab es einen gewissen Widerstand, wie ein prickelndes Energiefeld, das mich umgab. Es zog mich an und hielt mich fest. Warmes Sonnenlicht schien meine Augenbrauen entlangzuwandern. Dann ertönte
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