Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
den Sandberg entlang wie auf einer Riesenwelle.
Der Abhang wurde steiler und meine Geschwindigkeit nahm zu. Um zu wenden, musste ich nur den einen oder anderen Fuß stärker belasten, und schon hatte ich eine Kurve geschafft. Der Boden war makellos glatt wie Wasser. Ich spürte den Wind um mein Gesicht flattern, er brauste mir in den Ohren, als würde ich fliegen. Ich ging tiefer in die Hocke, um noch schneller zu werden. Gabe befand sich fünfzig Meter vor mir und ich sah, wie er zu einem Sprung ansetzte, auf einem Felsvorsprung abhob und elegant im weichen Sand landete. Ich riss mein Board herum und steuerte auf die gleiche Felskante zu. Mit weit ausgebreiteten Armen segelte ich in die Luft und fühlte mich schwerelos. Weit unten glitzerte das Flusswasser in der Sonne, und ich stieß einen wilden Schrei aus, als ich eine perfekte Landung hinlegte. Ich kippte das Board schräg und fräste mit Schwung durch den Sand, der im hohen Bogen hinter mir aufwirbelte.
Die goldene Dünenlandschaft färbte sich plötzlich dunkelbraun, dann schwarz. Das Wasser verschwamm vor meinen Augen. Ich stellte fest, dass ich nicht länger stand, sondern auf dem Rücken lag. Als ich die Augen aufschlug, verschwand die Szene endgültig und machte dem Licht greller Deckenlampen Platz. Mein Herz hämmerte immer noch und das Adrenalin kribbelte mir durch die Beine. Ich blinzelte zu Molly hoch, die den MindReader in der Hand hielt und mich anstarrte. Wieso hatte sie den Traum einfach abgebrochen? Verärgert zog ich die Brauen zusammen. Justin, Clare, Gabe und Pat betrachteten mich allesamt fasziniert. Justin knabberte an seiner Lippe, als wolle er ein Lächeln unterdrücken.
»Was immer du gemacht hast, gib mir mehr davon!«, sagte ich grinsend.
»Du hast die ganze Zeit gelacht vor Begeisterung«, ließ Justin mich wissen.
Ich legte die Hände auf meine Bauchmuskeln, die sich ganz verkrampft anfühlten, weil sie so lange nicht benutzt worden waren.
»Erinnerst du dich daran, was du erlebt hast?«, fragte Molly.
Ich öffnete den Mund, aber das meiste war schon aus meinem Bewusstsein verschwunden. Übrig blieb ein rauschhaftes Gefühl der Schwerelosigkeit, als würde ich fliegen. »Eigentlich erinnere ich mich nur daran, dass es sonnig war. Und ich glaube, Justin und Gabe waren bei mir.«
Molly nickte.
»Mehr nicht?«, fragte sie. Ich zuckte mit den Schultern, und sie betrachtete den Flipscreen, der alles notiert hatte, was ich während des Traums beschrieben hatte: meine Freunde, den Fluss, die endlose Dünenlandschaft und den letzten waghalsigen Sprung von der Felskante. Selbst als ich den Text las, konnte ich mich an nichts davon erinnern.
»Das habe ich alles gesagt?«, fragte ich.
»Wenn du nicht zu sehr damit beschäftigt warst zu lachen«, meinte Molly. Dann zeigte sie mir auf dem Flipscreen das Video, das meinen Traum ausgelöst hatte: einen amateurhaften Dokumentarfilm, der einen jungen Mann beim Sandboarding zeigte.
»Scott hat den Film vor ein paar Wochen entdeckt und redet seitdem nur noch darüber, wie cool dieser Sport ist«, sagte Molly. Wir alle betrachteten die ruckeligen Szenen. Der junge Mann hatte sich die Kamera auf den Helm geschnallt, sodass man als Zuschauer das Gefühl hatte, mit ihm zusammen die Düne hinunterzusurfen. Aber er war allein und der Hang war viel sanfter als in meinem Traum. In dem Video gab es weder Wasser noch die endlose Sandlandschaft, die ich beschrieben hatte.
»Interessant ist auch«, stellte Molly fest, »dass der Film nur zehn Minuten lang war, du aber fast eine Stunde gebraucht hast, um aus der Trance aufzuwachen. Eine volle Dosis von dem Medikament hätte dich wahrscheinlich sechs bis acht Stunden ausgeknockt.«
»Also, was stellt die ›Kur‹ mit mir an?«, fragte ich.
»Der deutlichste Effekt ist natürlich, dass sie Halluzinationen hervorruft«, sagte Molly. »Genauer gesagt, versetzt sie dein Gehirn in eine Art Schockzustand und regt die Produktion von so genannten Gedächtnis-Proteinen an. Gleichzeitig wirkt sie wie ein Beruhigungsmittel. Mit anderen Worten, sie verlangsamt gewisse neurale Abläufe und verstärkt andere. Sie benutzt die Szenen, die du visuell und durch den MindReader aufnimmst, und vermischt sie mit deinen echten Erinnerungen. Dadurch wird das Traumerlebnis personalisiert. Du selbst verteilst die Rollen und erschaffst die Bühnenlandschaft. Bist du vielleicht einmal am Columbia River Canyon gewesen?«, fragte sie.
Ich nickte und erklärte, dass mein Vater aus
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