Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
dem Norden von Oregon stammte. Unsere Familie hatte früher öfter Sommerausflüge zum Columbia River gemacht.
»Die Landschaft, die du beschrieben hast, klingt genau danach: der breite Fluss, die endlosen Hügel und steilen Hänge. Anscheinend wurden die Filmbilder damit verknüpft, um sie in deiner Fantasie echt wirken zu lassen.«
»Aber wieso kann ich mich an nichts erinnern, wenn ich aufwache?«
»Das nennt man eine retrograde Amnesie«, erklärte sie. »Sie funktioniert so ähnlich wie ein Filmriss bei zu viel Alkohol. Vereinfacht gesagt, erreichen die Inhalte deines Kurzzeitgedächtnisses nicht das Langzeitgedächtnis, sodass du auf die Einzelheiten nicht mehr zurückgreifen kannst. Das Medikament sorgt dafür, dass nur ein winziger Rest in deinem Bewusstsein hängen bleibt, der als Auslöser dient. Bestimmte Situationen aktivieren diesen Trigger, sodass du von traumatischen Erinnerungen überschwemmt wirst. Aber weil sie so tief in deinem Unterbewusstsein vergraben sind, erkennst du sie nicht als Erinnerungen, sondern reagierst nur instinktiv.«
»Okay, ich fasse mal zusammen, was ich verstanden habe«, sagte Justin. »Das DCLA setzt den Patienten falsche Erinnerungen ins Gehirn und tarnt sie als Albträume?«
Molly nickte. »Wenn diese Erinnerungsdateien erst einmal heruntergeladen und verankert sind, kann das Gehirn nicht anders, als auf sie zurückzugreifen. So bringt man den Patienten bei, die Gesellschaft anderer zu fürchten. Wenn sie sich unter Menschen begeben, warten sie panisch auf die nächste Tragödie, als sei die Realwelt ein Ort ständiger Gewalt, wo Gefahren hinter jeder Ecke lauern. Alles Mögliche kann als Auslöser dienen, je nach Konditionierung: Flure, Türgriffe, Fenster … Schon der Gedanken, sich nach draußen zu wagen, wird mit Angst besetzt. Um diese Gefühle zu vermeiden, zieht man sich in die digitale Welt zurück. Das DS -System wird zum Allheilmittel. Das Center hält dich in deinem eigenen Bewusstsein gefangen und bringt dich dazu, selbst die Gefängnismauern zu bauen.«
»Deshalb gibt es hier auch kaum Bewachung«, fügte Gabe hinzu. »Wenn die Patienten sich davor fürchten, auch nur ihre Zimmer zu verlassen, werden sie kaum einen Ausbruchversuch starten.«
»Woraus genau besteht das Medikament?«, fragte ich.
»Ich bin mit der Untersuchung noch nicht ganz fertig«, sagte Molly und klickte auf ihrem Flipscreen eine Seite voller Diagramme und Tabellen an. Gleichzeitig erklärte sie: »Ein Bestandteil ist auf jeden Fall eine Salbeisorte, die als natürliches Halluzinogen wirkt. Sie lässt sich nach der Einnahme nur wenige Stunden im Blutkreislauf nachweisen, deshalb habe ich vorher nichts gefunden. Die Droge wirkt auf den präfrontalen Cortex.«
Wir blinzelten die komplizierte Flipscreenseite an. Gabe hob die Hand und bat Molly, das Ganze noch einmal ohne Latein zu erklären.
Sie seufzte, ließ ein Bild des Gehirns erscheinen und tippte auf den vorderen Teil. »Der präfrontale Cortex dient unter anderem der Gefühlskontrolle«, sagte sie. »Stellt euch euer Gehirn wie einen Computer vor, in den das DCLA Erinnerungsdateien herunterlädt. So lautet jedenfalls meine Theorie. Sie benutzen traumatische Szenen wie Bombenattentate, Schießereien auf Schulfluren, terroristische Anschläge. Dein eigenes Gedächtnis besetzt dann sämtliche Rollen mit Menschen, die dir nahestehen, also deinen Freunden und deiner Familie. Dadurch wird alles glaubhaft und persönlich.«
»Aber ich sehe die Szenen nicht nur, ich erlebe sie ganz wirklich mit allen Sinnen«, sagte ich zu Molly. »Wie erklärst du das? Ich fühle den Schmerz. Ich rieche den Rauch. Ich verblute, weil man mir das Bein abgeschossen hat.«
»Ja, die Droge sorgt dafür, dass alles ganz real wirkt«, sagte Molly. »Sie lässt die Grenze zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein verschwimmen.«
»Okay«, meldete sich Pat zu Wort, »jetzt wissen wir also, was das Center vorhat. Wie sieht der nächste Schritt aus?«
Molly seufzte und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Wir müssen ein Gegenmittel finden, das die Träume wieder von der Realität trennt, damit den Betroffenen klar wird, dass es sich nicht um echte Erinnerungen handelt. Außerdem haben wir jetzt genug Beweise, um das Center zu überführen.«
»Tja, ich hoffe mal, dass du ein Gegenmittel liefern kannst, bevor mein Gehirn völlig im Eimer ist«, sagte ich und nahm einen Schluck Wasser.
Pat sprang auf und schob seinen Stuhl so heftig zurück, dass er laut
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