Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
soll ich dir nahe kommen, wenn du so etwas vor mir verbirgst? Ich weiß nicht mehr, ob ich dich überhaupt kenne. Niemand kennt dich, Justin.«
Er holte langsam Luft und stieß sie zischend wieder aus, um seinen Ärger loszulassen. Das Geräusch erinnerte an ein Dampfventil. »Ihr Tod war mein Fehler«, sagte er und presste die Finger hart gegen seine Brust. »Ich muss mit dieser Last leben und habe nicht vor, sie anderen aufzubürden. So egoistisch bin ich nicht. Also spar dir das Thema.«
Der Schmerz in seinem Blick trieb mir Tränen in die Augen. Vielleicht war ich egoistisch. Vielleicht wollte ich mich nicht allein miserabel fühlen und zog ihn deshalb mit in die Tiefe. Jedenfalls verstand ich nun, warum bisher niemand den Mut gehabt hatte, Justin auf Kristin anzusprechen. Sie hatten alle Angst gehabt, er würde daran zerbrechen.
»Ich will nur helfen«, murmelte ich. Fast das Gleiche hatte er vor ein paar Minuten zu mir gesagt.
»Ich will aber keine Hilfe!« Seine Augen brannten. »Soll ich dir sagen, wie ich damit klarkomme? Ich nehme den ganzen Dreck, der in meinem Leben passiert ist, und benutze ihn als Antrieb, um die Welt zu verändern.«
Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich wollte nach Justins Hand greifen, aber sein Blick hielt mich zurück.
»Fast alles, was ich heutzutage tue, hat mit diesem Augenblick zu tun. Das ist die Art, wie ich mit Problemen umgehe. Jede Tragödie ist eine Warnung und ein Ansporn. Sie erinnern mich daran, das Beste aus meinem Leben zu machen und keine Sekunde zu verschwenden. Wenn sich die Welt höllisch anfühlt, hat man einen Grund, sie zu ändern. Ich sitze nicht herum und beschwere mich, weil das Schicksal so mies mit mir umgeht. Ich bade nicht in Selbstmitleid. Ich frage nicht ständig, warum gerade mir so etwas zustößt. Wenn man über das Warum nachgrübelt, macht man sich nur verrückt. Weil es darauf nämlich keine Antwort gibt. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern.« Er holte tief Luft. »Ich versuche, ihrem Tod einen Sinn zu geben. Kristin ist der Grund, warum ich jeden Tag dafür kämpfe, dass niemand auf die gleiche Art seine Tochter, beste Freundin oder Geliebte verlieren muss.«
Er wandte sich ab und marschierte den Strand entlang.
»Es tut mir leid«, rief ich ihm hinterher. »Ich liebe dich nun einmal. Dagegen kann ich nichts tun. Manchmal hasse ich meine Gefühle für dich. Im Moment zum Beispiel. Da hasse ich es wirklich, dich zu lieben.«
Er ging nicht weiter, sondern blieb mit gesenktem Kopf stehen.
»Du bist so ein Blender«, sagte ich. »Schwingst große Reden darüber, dass wir einen Mittelweg brauchen, dabei lässt du dich selbst nie auf Kompromisse ein. Dich hat das System doch auch gebrochen.«
Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Die Energie zwischen uns brodelte dunkel und beängstigend. So hatte ich mich in seiner Nähe noch nie gefühlt. Je mehr ich mit Worten auf ihn einschlug, desto schneller rutschte ich selbst auf den Abgrund zu. Ich ertrug es nicht, ihn so zu sehen – verletzt, wütend und von mir abgewandt, als sei alles meine Schuld.
Um die Situation nicht noch schlimmer zu machen, trat ich zurück und wollte ihn alleinlassen. Doch bevor ich mich ganz abgewandt hatte, war Justin schon bei mir. Plötzlich stand er direkt vor mir, nahm mein Gesicht in beide Hände und lehnte sich in meine Richtung.
Sämtliche Instinkte befahlen mir, panisch zu schreien, aber etwas hielt mich zurück. Meine Muskeln zuckten fluchtbereit, aber ein stärkeres Gefühl brachte mich dazu, meine Füße nicht vom Fleck zu bewegen.
Justins Lippen berührten meinen Mund und ich spürte den Eispanzer schmelzen, der sich um mein Herz gelegt hatte. Ich packte seine Jacke, zog ihn näher heran und schlang die Arme um seinen Körper. Plötzlich war mir klar, dass ich seine Berührung brauchte wie sonst nichts auf der Welt. Er hielt mich fest und presste seine Lippen noch entschlossener auf meine.
Er ließ zu, dass ich ihn leer trank.
Selbstsüchtig nahm ich jedes bisschen Glück in mich auf, das er mir geben konnte. Ich sog das Licht aus ihm heraus und fühlte die Hoffnungslosigkeit aus meiner Seele strömen wie eine schwarze Aschewolke. Bald würde nichts mehr von ihm übrig sein. Dieser Kuss war mehr als Liebe; er war purer Überlebenskampf. Ich presste meine Angst und meinen Schmerz in Justin hinein und stahl ihm seine Stärke, bis ich einen Vorrat hatte, von dem ich zehren konnte. Ich spürte seinen hämmernden
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