Maddrax - Folge 332: Der vergessene Tod
dem Miniatur-Spind angebracht war. Oszilloskop-Werte zuckten wild darüber, eine rote Lampe blinkte ohne Unterlass.
Der Gar’tek – der hydritische Arzt – deutete laut klackend auf mehrere Schalter. Die Maschine gab ein helles Pfeifen von sich, das in Jennys Ohren schmerzte.
Pieroos Fuß zuckte. Eine Welle aus Anteilnahme durchfuhr Jenny bei diesem Anblick. Sie nährte die seelische Pein in ihr wie giftiger Efeu.
Lasst ihn doch sterben , dachte sie. Ich folge ihm gerne …
Das Pfeifen wurde leiser, Pieroo lag still. Die Hydriten beruhigten sich, Syram’ur gab letzte Anweisungen. Jenny sah, wie der Gar’tek einen Zahlencode in die Tastatur eingab.
Sofort endete das Beben und das rhythmisch klackende Geräusch aus der Maschine übernahm langsam die Kontrolle. Der Gar’tek scheuchte seine Leute hinaus, auch Try’kon. Mit nervös zuckenden Rumpfmuskeln kam er auf Jenny zu. „Ich erbitte Ihre Verzeihung“, nuschelte er aufgeregt. „Mein Assistent hat den falschen Code eingegeben. Es kam zu einer Überlastung.“
Jenny deutete ein Nicken an. „Was ist mit Pieroo?“ Sie machte eine Kopfbewegung zu ihrem Gefährten hin.
„Er wird gesund. Haben Sie je von Neuroplastizität gehört, Jenny?“
Sie kam ins Grübeln. Ihr Gedächtnis war nicht das Beste, aber sie glaubte sich an den Begriff zu erinnern. War er vielleicht Teil ihrer Ausbildung gewesen?
„Wenn Fähigkeiten des Gehirngewebes ausfallen“, erklärte Syram’ur, „übernehmen gesund gebliebene Areale die Steuerung.“
„Ich verstehe nicht ganz …“
„Es ist kompliziert. Und unwichtig für Sie.“
„Sie müssen mir doch sagen können, was mit Pieroo ist, ohne Fachhydritisch zu reden!“ Jennys Gesicht wurde heiß vor Aufregung.
„Ein Risiko gibt es“, sagte Syram’ur.
„Was ist das für ein Risiko?“
„Wenn er aufwacht, wissen wir nicht, ob die Person noch dieselbe ist …“
Jenny spürte, wie ihr das Blut aus ihrem Gesicht wich. „Wie meinen Sie das?“, hauchte sie.
„Die Auswirkungen der Behandlung sind nicht gänzlich erforscht“, kam die zögerliche Antwort. „Möglich, dass alte Erinnerungen verloren gehen. Vielleicht entwickelt das Gehirn eine neue Persönlichkeit.“
O mein Gott … Jenny rang um Worte, die nicht kommen wollten.
Syram’ur bemerkte ihren Zustand. „Aber bitte, keine Sorgen machen“, sagte er einfühlsam. „Es muss nicht so kommen.“
Jenny nickte ermattet. Der Gar’tek trat an sie heran und legte ihr behutsam eine Flossenhand auf die Schulter. „Sie schlafen jetzt besser. Müssen gesund werden.“
„Ja …“
Ohne ein weiteres Wort verließ Syram’ur den Raum. Jenny blickte auf die sich schließende Membran.
O Pieroo! In welche Lage habe ich dich gebracht?
Sie fühlte sich wie ferngesteuert. Pieroos Zustand, ihre Vergangenheit und immer wieder Ann; die Schuld, die sie auf sich geladen hatte – das alles war mehr, als sie ertragen konnte.
Aber Teufel noch mal, damit war jetzt Schluss! Endgültig!
Ächzend hob sie ihren Oberkörper. Sie löste die Schläuche, ganz langsam, einen nach dem anderen.
Vorsichtig stand Jenny auf. Sie hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Leichter Schwindel befiel sie.
Geschwächt und ungelenk näherte sie sich der Maschine. Was hatte Syram’ur gesagt? Sie solle schlafen? O ja, sie würde schlafen! Und wie sie schlafen würde!
Die Kurven und Werte des Oszilloskops verliefen gleichmäßig. In kurzen Abständen ertönten ein leiser Piepton und Zischgeräusche.
Jenny stellte sich vor die Bedienelemente. Ihre Hände waren schweißnass, ihr Herzschlag beschleunigte sich. Durch einen falschen Code kam es zu einer Fehlfunktion, rief sie sich in Erinnerung. Es ist also egal, was ich eingebe. Hauptsache, Syram’ur kommt zu spät, um es aufzuhalten.
Sie gab eine beliebige fünfstellige Nummer ein. Das Sirren verstärkte sich augenblicklich, schmerzte in Jennys Ohren.
Pieroo, du musst mich verstehen! Ann, es tut mir so leid, dass ich mich von Mutter habe beeinflussen lassen! Bitte verzeih mir! Gleich bin ich bei dir, geliebte Tochter!
Ein Kreischen drang aus der Maschine. Der Raum begann zu beben, Uhren fielen scheppernd zu Boden. In den Wänden knackte es. Ein Schlauch löste sich von Pieroos Körper. Alles im Raum schien sich verdoppeln zu wollen.
Jenny konnte sich wegen der Vibrationen kaum noch auf den Beinen halten. Als sie gegen den Glastisch stolperte, öffnete sich die Membran. Syram’ur und Try’kon hetzten zusammen mit zwei anderen
Weitere Kostenlose Bücher