Maddrax - Folge 336: Facetten der Furcht
rauchende Kamerad feixte ihn von der Seite an. „Das ging ja fix. Ist sie so schnell gekommen?“
„Hab sie nicht erreicht“, murmelte Kelly tief in Gedanken versunken. „Ich probiere es heute Nachmittag noch mal, okay?“
Sie tauchte in die unterste Ebene von Hykton. Entlang einer schmalen Tunnelröhre tastete sich Bel’ar die letzten Meter bis zur Einmündung in die zentrale Kuppelhalle voran. Ein Schwarm Buntbarsche schwamm ihr entgegen. An einem bionetischen Griffbügel hielt sie sich fest und spähte in die Zentralhalle hinein.
Drei Ferntunnelröhren und zahlreiche innerstädtische Haupt- und Nebenröhren mündeten in die Halle. Die Öffnungen zu den Schleusen der drei Ferntunnel waren zwischen zehn und fünfzehn Metern hoch. Die Mittlere führte zu einer Schleuse, hinter der diejenige Röhre begann, die erst vor der Küste Britanas endete.
Am Grund der Zentralhalle wölbte sich eine kuppelförmige, halb transparente Behausung, vier Meter hoch und knapp sieben Meter im Durchmesser: der Kontrollraum für alle Tunnelröhren. Hier wurde auch der Fernverkehr durch den Allatis abgewickelt. Mehrere große und mittlere Transportquallen ankerten auf dem Basaltsims, der den Kontrollraum umgab.
In ruhigen Zeiten wie diesen reichte ein Hydrit aus, um Schleusen und Röhren zu kontrollieren. Dass in Kürze der Prozess gegen den Oberflächenkriecher Maddrax vor dem HydRat von Hykton begann, interessierte nur wenige Hydriten. So erfüllte sich Bel’ars Hoffnung: Nur ein einziger Schleusenwächter tat Dienst im Kontrollraum.
Transportquallen konnte man ausschließlich über die Armaturen des Kontrollraums für eine Reise programmieren und startklar machen. Genau dies hatte Bel’ar vor, denn falls das Tribunal Maddrax zum Tode verurteilen sollte – Bel’ar wollte auch auf diesen Fall vorbereitet sein –, brauchte es eine startbereite Transportqualle, um einen Rettungsversuch überhaupt in Erwägung zu ziehen. Dass sie Maddrax vor einer Exekution bewahren wollte, stand für sie außer Frage. Er war ein enger Freund von Quart’ol und damit auch ihr Freund.
Allerdings barg ihr geplantes Unternehmen mindestens zwei Risiken: dass der Schleusenwächter sie entdeckte und identifizierte, und dass er, sollte Bel’ar der erste Schritt gelingen, irgendwann den Bereitschaftsmodus der Qualle entdeckte.
Bel’ar wollte beide Risiken auf ein Minimum reduzieren und hatte exakte Vorstellungen, wie sie das bewerkstelligen könnte.
Zunächst einmal musste der Schleusenwächter den Raum verlassen, und das für mindestens zwei Minuten.
Durch die halbtransparente Außenmembran des Kontrollraums konnte sie die Umrisse des Wächters sehen und sogar erkennen, ob er ihr das Gesicht oder den Rücken zuwandte. Bel’ar wartete geduldig, bis er sich umdrehte und an einem Schaltpult auf der anderen Seite des Kontrollraumes zu schaffen machte.
Blitzschnell schoss sie aus der Röhre, schwamm ein Stück nach unten und schlüpfte in eine von vier Wartungsröhren. Etwa vier Meter weit musste sie hineintauchen, bis sie vor dem Wandschrank schwebte, in dem die Hauptsicherungen der Zentralhalle untergebracht waren. Als sie ihn öffnete, blinkten vor ihr Dutzende Leuchtröhren, die den Energiefluss zur Halle und von ihr weg regulierten.
Bel’ars Ziel war es, die Energieleitung zum Kontrollraum kurzzuschließen, um den Schleusenwächter aus dem Raum zu locken. Den Energieleitungsplan hatte sie sorgfältig studiert, die Position der Röhren im Kopf. Sie drückte die erste Sicherungsröhre in die Fassung, dann die zweite, die dritte …
Die schien zu klemmen, widersetzte sich dem Druck. Erst versuchte Bel’ar es auf die sanfte Tour, dann, als das nicht fruchtete, ballte sie die Rechte zur Faust und schlug kräftig zu.
Von einer Sekunde auf die andere wurde es stockdunkel in der Röhre. Und vermutlich nicht nur hier! Bel’ar erschrak – offenbar hatte sie daneben geschlagen und versehentlich eine Hauptröhre erwischt. Weite Teile der Innenstadt Hyktons waren jetzt vom Energiefluss abgeschnitten!
Geistesgegenwärtig verschloss sie die Wandnische, stieß sich ab und schoss in die vollkommen dunkle Zentralhalle hinunter. Licht flackerte auf, das Notstromaggregat sprang an. Kurz darauf erfüllte wieder grünliches Licht die Halle, gedämpfter allerdings als zuvor.
Bel’ar versteckte sich zwischen zwei Transportquallen, als es wieder heller wurde. Einige Seepferdchen stiegen auf und ergriffen die Flucht. Bel’ar spähte zur Tür des
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