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Made in Germany

Made in Germany

Titel: Made in Germany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaya Yanar
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Verhaltensweisen:
    Es gibt Piloten, die vor jedem Flug die Landebahn küssen. Und es gibt solche, die nach jedem Flug die Stewardess küssen.
    Ein Kumpel von mir hatte sein ganz persönliches Glückshemd, seine Glückshose und dazu auch noch Glücksschuhe. Und trotzdem hat er eines Tages das alles verloren – beim Strip Poker!
    Ich persönlich habe auch ein festes Ritual: Vorm Schlafengehen spreche ich ein Nachtgebet. Darin bedanke ich mich für all das Schöne, das mir begegnet ist, und ich bitte um Vergebung für all den uninteressanten Schwachsinn, den ich an diesem Tag verzapft habe!
    Aber da du, lieber Leser, mir freiwillig bis ans Kapitelende gefolgt bist, muss ich mich heute Abend wohl nur für das Schöne bedanken!

KAPITEL 10
Gesetze

    „Die Würde des Menschen ist unantastbar.”
    „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner
    Persönlichkeit.”
    „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.”
    In zwei Belangen ist Deutschland den meisten anderen Ländern haushoch überlegen: im Fußball und bei der Rechtsprechung!
     
    Andererseits:
    „Rasen betreten verboten!”
    „Wir müssen leider draußen bleiben!”
    „Dies ist eine Hofeinfahrt und kein Spielplatz!”
    „Halbfinale WM 2010: Deutschland – Spanien 0:1!” Wo Sonne ist, ist auch Schatten!
    Trotzdem: Die Gesetzeslage in Deutschland ist vorbildlich! Die Deutschen können sich frei entfalten, alle haben die gleichen Rechte, und für die meisten Streitfälle gibt es eine vernünftige und verbindliche Lösung – zumindest wenn man erwachsen ist.

    Für uns Kinder sah das damals, vor 30 Jahren, deutlich anders aus. Damals hing ich nach der Schule immer mit meinen besten Kumpels Hakan, Ranjid und Francesco rum. Und bei uns in der Clique gab es eigentlich nur ein Gesetz. Und dieses Gesetz lautete: Hakan hat immer Recht!
    Ranjid passte das gar nicht: „Ich habe auch manchmal Recht”, jammerte Ranjid einmal. „Zum Beispiel wenn ich sage, dass meine Kuh Benytha morgens länger im Bad braucht als ich!”
    Hakan antwortete: „Na und? Das interessiert doch konkret kein Schwein!”
    Und da musste selbst Ranjid zugeben: „Das stimmt, Hakan. Da hast du Recht!”
    „Sag isch doch, du krasse Rinder-Inder!”
    Für uns Kinder waren die meisten Gesetze natürlich heilig. Wir waren gesetzestreue kleine Frankfurter, und wenn im Park „Rasen betreten verboten” stand, dann betraten wir den Rasen nicht – wir durchpflügten ihn! Mit den Aluminiumstollen unserer Fußballschuhe! Stundenlang! Es war herrlich! Am nächsten Tag sah man Hunderte von heimatlosen Maulwürfen durch die Innenstadt von Frankfurt irren, auf der Suche nach Asyl und nach einem neuen, sicheren Zuhause!

    Andere Gesetze wurden von uns regelmäßig widerlegt: Es stimmt zum Beispiel nicht, dass Eltern automatisch für ihre Kinder haften, wenn die Kleinen verbotenerweise eine Baustelle betreten – das gilt nur für Eltern, deren Kinder sich auf der Baustelle auch erwischen lassen (also für meine Eltern, nicht aber für die von Hakan). Und unter „Briefgeheimnis” verstand ich, dass ich die Liebesbriefe an meinen großen Bruder heimlich öffnete ...

    Später, als ich etwas älter war und mich ernsthafter mit der deutschen Rechtsprechung beschäftigte, wurde mir die Bedeutung von Gesetzen und Rechten viel stärker bewusst. Manchmal frage ich mich, ob den Deutschen überhaupt klar ist, wie gut sie es im Vergleich zu Menschen haben, die in anderen politischen Systemen oder
Rechtsformen leben. Anders als in Saudi-Arabien, in China oder im Iran kann man in Deutschland zum Beispiel grenzenlos im Internet surfen. Und was klicken die meisten an? „ www.titten.de ” und „wetter-online”! Was für eine Verschwendung!
    Und auch wenn es viele Deutsche nicht wahrhaben wollen: Das Recht auf Meinungsfreiheit umfasst mehr Möglichkeiten, als dem Nachbarn zu sagen, dass er ein Arschloch ist. Öffentlich zu seiner Meinung stehen zu können, ist ein Privileg. Der einzige Haken: Man muss auch eine eigene Meinung haben !
    Eines der wichtigsten deutschen Rechte ist unmittelbar mit einer eigenen Meinung verbunden: nämlich das Wahlrecht. Es wird in Deutschland mittlerweile als so selbstverständlich angesehen, dass es von vielen Menschen überhaupt nicht ausgeübt wird: Die Bundestagswahl 2009 lockte nur 70,2 Prozent der Stimmberechtigten in die Wahllokale – ein historischer Tiefstand. Beim Rumhacken auf der Regierung machen dann allerdings fast 100 Prozent mit!
    Bei der NRW-Landtagswahl 2010

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