Made in Germany
kriegen würden. Darum gehe ich so ungern zu deutschen Hochzeiten.
Lieber gehe ich zu einer türkischen Hochzeit. Eine türkische Hochzeit läuft ganz anders ab. Erstens werden alle Menschen eingeladen, die es gibt. Im Ernst: Eine türkische Hochzeit mit 600 oder 700 Gästen ist keine Seltenheit. Es sei denn, die Familien haben Geld – dann kommen natürlich mehr! Darum wird auch nicht zu Hause gefeiert oder im Restaurant, sondern in Hallen. Es sind schon türkische Hochzeiten verschoben worden, weil der Veranstaltungsort nicht frei war – die Rolling Stones hatten schneller gebucht!
Wenn ich heiraten sollte, ich wüsste gar nicht, wen ich einladen sollte! So viele Menschen kenne ich gar nicht. Ich wäre froh, wenn ich auf 20 Leute käme – inklusive der Braut!
Natürlich haben auch türkische Hochzeiten ihre immer gleichen Rituale: Der Braut wird zum Beispiel Gold geschenkt und Geld ans Kleid gesteckt, als prophylaktische Sicherheit, wenn der Mann in zwei Jahren abhaut. Das finde ich sehr praktisch gedacht. Sie hat später auf jeden Fall mehr davon als von Käsehobeln, Fondue-Sets oder Ikea-Gutscheinen.
Das Tollste an einer türkischen Hochzeit aber ist: Es gibt keinen Alkohol! Gut, man muss sich auch nicht wie bei einer deutschen Hochzeit die Musik von Wolfgang Petry schöntrinken. Außerdem klingt die türkische Musik eh so, als hätte man schon einen im Kahn. Aber ohne Alkohol ist es tatsächlich angenehmer. Man kann sich besser unterhalten (wenn man Türkisch kann), man spart sich das Taxi für den Heimweg, und man kommt nicht auf die Idee, nachts um drei hackebreit an der Braut rumzubaggern.
Ich finde es gut, dass die Nationen unterschiedlich feiern. Das macht das Leben abwechslungsreich und interessant. Viele Rituale beruhen auf jahrhundertealten Traditionen, und man sollte sie pflegen, statt alles gleichzumachen. Die Menschen sind vielfältig und unterschiedlich. Das merke ich sogar in meinem Freundeskreis. Hakan, Francesco, Ranjid und ich haben zum Beispiel ganz unterschiedliche Arten, jemandem ‘Guten Tag’ zu sagen:
Kaya schüttelt seinem Gegenüber die Hand
Francesco küsst seinem Gegenüber die Hand
Ranjid schüttelt seinem Gegenüber den Huf
Hakan bricht seinem Gegenüber die Hand
Auch im geschäftlichen Miteinander gibt es international unterschiedliche Rituale: In Deutschland gilt der Preis, der draufsteht. Darum steht er ja auch drauf. Da wird nichts hinterfragt, nichts probiert. Es ist, wie es ist. Feilschen ist verpönt.
In der Türkei hingegen wird gehandelt. Wer in der Türkei den Preis zahlt, der ihm zuerst genannt wird, der wird ausgelacht. Gut, wenn man sich mit internationalen Ritualen wie dem Feilschen auskennt! Denn dann können selbst Deutsche im Ausland tolle Schnäppchen machen. Ein Beispiel:
Die deutschen Touristen Herbert und Ingeborg sind unterwegs in Istanbul. Auf dem Basar sehen sie ein Backgammon-Brett mit herrlichen Intarsien. Ingeborg ist begeistert:
Ingeborg: „Herbert! Guck mal! Das will ich haben!”
Und Herbert nimmt die Verhandlungen auf:
Herbert: „Was kostet?”
Händler: „2000 türkische Lira!”
Herbert: „Oh, das sind ja 1000 Euro! Das ist mir aber ein wenig zu viel!”
Händler: „Was hast du für Problem? Ist Spitzenqualität! Echte Holz! Handarbeit und de ganze Scheiß! Gemacht von de türkische Manufaktur für ...”
Ingeborg: „Hier steht aber ›Made in China‹.”
Händler: „Wartest du – bald liegen die Türken vor Peking. Und wenn wir besser machen als damals in Wien, dann stimmt’s wieder!”
Herbert: „Na gut, aber 2000 Lira? Ich weiß nicht …”
Händler: „Machst du Vorschlag!”
Ingeborg: „10 Lira!”
Händler: „Abgemacht!”
Das Feilschen liegt den Türken im Blut. Türken feilschen um alles. Sie würden selbst mit dem Tod noch verhandeln:
„Hallo, Murat, ich bin der Sensenmann. Deine Zeit ist gekommen!”
„Pass du auf. Wenn du zwei Jahre wartest, kannst du auch gleich meine Schwiegermutter mitnehmen – oder du nimmst sie jetzt schon mit, und wir sind quitt!”
Im nordindischen Assam gibt es ein schönes Ritual: Derjenige, der dort nachts das Wort „sap” (Schlange) ausspricht, muss sofort danach die Namen von sieben kahlköpfigen Männern aufsagen. Ich müsste da sehr aufpassen. Mir würden keine sieben Glatzköpfe einfallen. Wohl dem, der Skinheads als Freunde hat!
Neben den vielen nationalen und kulturellen Ritualen gibt es noch die ganz persönlichen, individuellen
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