Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
war es nicht meine erste Konfrontation mit Gewalt. Schon sehr jung, als Jugendliche, habe ich die Bitterkeit männlicher Kraft geschmeckt, ich habe recht früh verstanden, was ich als Frau riskiere. Der erste Typ und die ersten Prügel  â das habe ich sehr lange für mich behalten. Ich flirtete mit ihm, er
war älter als ich, was ihm faktisch die Ãberlegenheit sicherte. Ich gefiel ihm, und er betörte mich mit charmantem Lächeln und kleinen, zarten Aufmerksamkeiten. Ich muss zugeben, dass er anfangs sehr nett war. Dann, als die Zeit verging und ich nicht tat, was er wollte, wurde er bösartig und gewalttätig, ja geradezu wütend auf mich. Eines Tages, als ich mit ein paar Kumpels in die Disco ging, wurde es schwierig. Vielleicht ärgerte er sich, weil wir ihm nicht vorgeschlagen hatten mitzukommen, jedenfalls folgte er mir von Weitem. Dann kam er in die Disco und bat mich, mit ihm nach drauÃen auf den Parkplatz zu gehen. Da ich keinen Aufruhr wollte, willigte ich ein. Es war eisig auf dem Parkplatz, ich zitterte vor Kälte. Er legte mir seine Lederjacke um die Schultern, und dann, vor den Blicken geschützt, ohrfeigte und prügelte er mich. Es ist nicht so sehr der Schmerz, es ist vielmehr die Demütigung, dies von einem Mann ertragen zu müssen. Ich hatte zwar Spuren im Gesicht und Kopfweh, und mein Körper schmerzte, aber ich betrachtete mich nicht als Opfer. Obwohl er mich auf einem Parkplatz ohne jeden Grund geschlagen hatte, einfach so. Vielleicht aus Verrücktheit, vermutlich aus Gemeinheit, ganz sicher aus Dummheit.
Ich kam gar nicht auf den Gedanken, ihn anzuzeigen. Erstens zwang mich niemand, mit diesem Typen auszugehen. Zweitens war ich ihm ohne Misstrauen auf den Parkplatz gefolgt. Ich hatte mich ganz allein in diese Lage gebracht. Ich hatte nicht verdient, was mir geschehen war, ich hatte mir nicht viel vorzuwerfen, aber ich würde ganz sicher nicht so kühn sein, mich zu beklagen. Denn in gewisser Hinsicht war es eine gerechte Strafe: Ich hatte meine Mutter belogen. Ich hatte ihr wohlweislich verschwiegen, dass ich mich mit diesem Mann traf. Sie kannte ihn und mochte ihn nicht. Vor
allem hätte sie es nicht ertragen, dass ihre Tochter mit einem so viel älteren Mann ausging, und die Ohrfeigen schon gar nicht! Also habe ich das alles ganz schnell tief in mir begraben. Ohne ein Wort darüber zu verlieren.
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Mein Verrückter hat in Wirklichkeit nur die Angst wieder geweckt, die seit meiner Jugend in mir schlummerte. Die Furcht vor körperlicher Gewalt. Er hat mich eine schreckliche ursprüngliche Anspannung neu erleben lassen, die ich nie wirklich abgebaut hatte. Ich ertrage es nicht, das Opfer zu sein, dem man Gewalt antut, das man in Ketten legt. Ich werde mich 2008 daran erinnern, in der Ukraine, als mich die Künstlerin Svetlana Loboda bat, sie bei ihrer Kampagne zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen zu unterstützen. Ich engagierte mich an ihrer Seite. Unsere geschwollenen Gesichter auf den Plakaten machten groÃen Eindruck.
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Ich Arme, ich glaube daran â¦
Ich schlieÃe die Tür, noch ganz benommen, meine Augen glänzen, und alle Saiten meines Herzens schwingen. Er hat mich eben geküsst, und dieser lange, schmelzende, leidenschaftliche, verliebte Kuss hat sich in meinem ganzen Körper ausgebreitet, von den Haar- bis zu den Zehenspitzen. Etwas Laues, Liebliches umfängt mich, bringt mich zum Träumen. Dieser Verehrer ist sehr schön. So schön, dass ich nicht zu denken wagte, ich könne ihm gefallen. Ich finde mich nicht schön. Aber er ⦠ist unwiderstehlich.
Ich habe ihn auf einer Tournee kennengelernt. Er ist Songwriter und Sänger. Er hat sich in einem Nachbarland einen gewissen Ruhm erworben und versucht, nun auch im Ausland Fuà zu fassen. Ich habe natürlich bemerkt, dass der Sänger in meinem Vorprogramm ein hübscher Junge war. Aber wenn ich arbeite, bin ich taub und blind für alles, was nicht zu meinem Job gehört. AuÃerdem gleicht die Atmosphäre hinter der Konzertbühne eher der des Kasernenhofs als der einer romantischen Komödie. Rings um mich gibt es nur Männer. Sie wissen, dass ich daran gewöhnt bin, und halten sich daher weder mit dreckigen Witzen noch mit frauenfeindlichen Bemerkungen oder mit Berichten über ihre Abenteuer zurück. Ich lache darüber. Und es sollte mir eine unvergleichlich klare Sicht auf die Männer und
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