Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
Freundeskreis weisen mich beiläufig darauf hin, wie viel Glück er hat, dass er mit mir zusammenleben kann. Anspielungen, die ich verstehe, aber einfach nur für gemein halte. Ich habe wenig Lust, mir einzugestehen, dass das, was ich habe und was ich bin, der Grund für unser Zusammenleben sein könnte. Diesen wenig schmeichelhaften, grausam traurigen Gedanken schiebe ich so weit wie möglich von mir. Denn er ist mit einer weiteren, noch schrecklicheren Vorstellung verbunden, der Vorstellung, betrogen zu werden. Oder genauer gesagt, tatsächlich betrogen zu werden. Obwohl sich Indiz an Indiz reiht, verschlieÃe ich mich dieser Wahrheit hartnäckig. Ich klammere mich an meine Liebe.
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Anfangs kümmert er sich weiter um seine Angelegenheiten, seine Kompositionen, seine künstlerische Karriere. Doch nach und nach verlagert sich sein Interesse auf meine Angelegenheiten. Er möchte mich filmen, detailreich meine Vorbereitungen für die nächste Tournee festhalten, auch Privates wie eine Frühstücksszene oder aber Momente, in denen ich arbeite und
beispielsweise die Vorstellung kommentiere. Er würde auch gern unsere Besprechungen während der Vorbereitungen aufnehmen, alles ganz schlicht und unprätentiös. Also kaufe ich ihm eine nagelneue Kamera, technisch der letzte Schrei. Keinen Augenblick lang habe ich eine Ahnung von dem, was folgen wird. Ohne mir Bescheid zu sagen, nimmt er Kontakt zu meiner Plattenfirma auf und schlägt ihr vor, sie solle ihn als Regisseur für einen Film über das Leben von Patricia Kaas bezahlen. Zur Krönung des Ganzen möchte er auch noch als Produzent dieses Meisterwerks auftreten. Welche Fehleinschätzung von meiner Seite! Eine Geschichte, aus der ich nur schwer herauskomme. Meine Umgebung durchschaut meinen Partner ziemlich bald.
Dieser jedoch versucht mir einzureden, meine Umgebung schade mir. Natürlich fürchtet er deren Hellsicht. Er hat es vor allem auf Cyril und Richard abgesehen, er findet, sie tun nicht das Richtige für meine Karriere. Will er ihren Platz einnehmen? Das werde ich nie erfahren. Jedenfalls schlieÃe ich, die ich ihn zu lieben glaube, die Augen vor der Wahrheit, als er mich von meinen Angehörigen und Nahestehenden zu isolieren versucht. Ich möchte in dieser Liebe bleiben, ich habe zu viel Angst davor, ihn zu durchschauen.
Da seine eigenen Platten nicht ankommen, hat er keine Einkünfte. Er macht Filmaufnahmen von mir, schreibt mir Texte, kurzum: Emsig wie eine Biene sammelt er seinen Nektar in meinem Rampenlicht. Allmählich sagt man mir offener, dass ich ihm zu viele Zugeständnisse mache. Doch ich weià diese wohlmeinende Ehrlichkeit, die ich für reinen Neid halte, nicht zu schätzen. Ich glaube an diese Beziehung, und ich will sie ganz und gar leben. Doch ach â¦
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Er wirkte verdrossen, ich fragte, was los sei, und er antwortete, er ertrage Paris nicht mehr. Die Leute, die Verkehrsstaus, den Stress ⦠Wenigstens diese Probleme hätten wir nicht mehr, wenn wir auf dem Lande lebten, versuchte er mir einzureden. Immer wieder kam er darauf zurück, das sei die Lösung. Ich überlegte mir, dass unsere Art Beruf es uns tatsächlich ermöglichte, auf dem Land zu leben. Und da ich mir so sehr wünschte, dass unsere Beziehung schön und dauerhaft wäre, kam ich auf eine Idee: Wir würden gemeinsam nach einem Haus suchen. Ich hatte noch nie eins gehabt. Ich hatte immer in Wohnungen gelebt, doch nun würde ich es mit einem Haus versuchen, weil ich einen Partner hatte. Allein wäre ich nie auf den Gedanken gekommen. Ein Haus für eine allein lebende Frau, diese Vorstellung lag mir fern. Aber eine Frau und ein Mann? Sie ziehen gemeinsam in ein Haus, dann bekommen sie Kinder, später kommen die Enkelkinder zu Besuch, und die ganze Zeit sind sie glücklich. Ich glaube, so machen es die normalen Leute.
Ich dachte also, ich könnte alles mit einem schönen Haus, das ganz in der Nähe von Rambouillet und nicht zu weit von Paris entfernt lag, in Ordnung bringen. Mitten in der Natur würde mein Liebster sein schönes Lächeln wiederfinden. Ich täuschte mich. Schwer. Es war nichts mehr in Ordnung zu bringen, und im Grunde war nicht Paris das Problem. Die Bäume hatten nichts mehr zu verbergen. Wir stritten nicht einmal mehr. Unsere Liebe ist ganz langsam verdorrt. Die laue Sanftheit des Anfangs hat sich in einen eisigen Wind
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