Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
sogar einen gewissen Zynismus verschafft haben. Aber obgleich ich all das zu hören bekomme, kann ich noch in Gefühlen schwelgen, hoffe ich wenigstens â¦
Ich bin nicht sehr selbstsicher in der Liebe, eher ein wenig schüchtern. Ich habe nie gesehen, dass meine Eltern sich geküsst oder sich liebevolle Dinge gesagt hätten. Meine Mutter war in solchen Dingen ziemlich schamhaft. Bei uns zu Hause sagte man nicht: »Ich liebe dich.« Daher habe ich Schwierigkeiten mit diesem Satz, er macht mich verlegen, wenn man ihn zu mir sagt, und ich selbst spreche ihn nicht oft aus. Als würde dieser Satz alles und nichts bedeuten. Er lähmt mich. Die Leute denken nicht darüber nach und werfen bei der geringsten Gefühlsaufwallung damit um sich. Ich fürchte mich vor dem, was es mit sich bringt, zu sagen: »Ich liebe dich!« Das halten mir die Männer vor. Sie werfen mir vor, ich sei zu schweigsam, nicht bereit, mich auszusprechen, mich hinzugeben. Ich gebe mich, ohne mich zu geben. Immer bereit, mich zurückzunehmen.
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Heute Morgen hat mich mein Verehrer mit einem ganz bestimmten Blick angesehen. Seine Arme, die mich fest umfangen, sein sanfter Mund. Ich habe Lust zu träumen, an diesen Anfang zu glauben, an dieses Etwas in seinem Blick, das mir so sehr gefällt. Gestern Abend haben wir uns nicht aus den Augen gelassen. Ich hatte als Abschluss einer Reihe von Konzerten im Pariser Zénith eine Party gegeben und ihn eingeladen. Das mache ich immer, ein Riesenfest als Abschluss unserer gemeinsamen Mühen, unserer Erschöpfung, unserer Freuden in langen Monaten des Weltenbummelns. Im Allgemeinen trinken und tanzen wir, haben SpaÃ. Die Party gestern war besonders gelungen. Sie ist gerade erst zu Ende gegangen, um sieben Uhr morgens in meiner Wohnung. Wir waren etwa zehn, die noch weiterfeiern wollten. Und landeten mit warmen Croissants hier bei mir, wo wir die Party um ein
Frühstück verlängerten. Es war ein sehr vertrauter, schöner Moment. An der Türschwelle sagte er mir nette Dinge. Was er sagt, berührt mich. Es ist schön, wenn man sich durch die Augen eines solchen Mannes als hübsches Mädchen sieht. Ist ja klar. Ich bin noch ganz schwach, weil ich Angst hatte â¦
Er hat mich geküsst, dieser Mann, den ich gern lieben wollte, und die Last der letzten Jahre verflog. Ein magischer Moment. Der, wie ich mich zu denken zwinge, nicht von Dauer sein wird. Flüchtig und schön. Ein einzigartiger Kuss, der keine Zukunft hat, sondern Erinnerung ist. In meinem Metier ist das Wort »Dauerhaftigkeit« sowieso fehl am Platz. Alain Delon hat es mir oft genug gesagt: Das Künstlerleben macht einsam. Also glaube ich nicht an eine Liebesbeziehung, ich glaube nur an diesen Kuss. AuÃerdem lebt er ja auch im Ausland, was unsere Chancen auf eine gemeinsame Zukunft nicht gerade erhöht.
Doch zwei Tage nach diesem Kuss ruft mich mein Verehrer an und sagt: »Ich möchte mit dir zusammenleben, ich komme nach Paris.« Ich bin völlig verdutzt und hin und weg. Ich willige ein, ich stehe unter dem Bann dieses Mannes, dieser Situation. Ich kann es kaum fassen. In der Ãberzeugung, ich sei verliebt, lasse ich ihn in meine Wohnung im VI. Arrondissement einziehen. Wir beginnen gemeinsam, das Leben eines Paares zu führen. Das sich stark von dem normaler Paare unterscheidet, denn meine Karriere lässt mir wenig Pausen, und er ist sehr damit beschäftigt, seine eigene in Gang zu bringen. Anfangs jedenfalls.
Ich bin glücklich, ich habe das Gefühl, wieder zu leben, wieder zu atmen. Die Presse stürzt sich auf die Geschichte und schlachtet sie in ihren Schlagzeilen aus. In den Interviews stellt man mir mehr Fragen nach meinem Freund als nach
dem Album, an dem ich gerade arbeite. Man versucht, mich mit Fangfragen in die Falle zu locken. Für meinen Freund ist die Sache weniger kompliziert. In seiner Karriere tut sich nicht viel, und manchmal spüre ich bei ihm einen Anflug von Bitterkeit. In dieser Lage ist es für ihn nicht so einfach, Zeuge meines Erfolgs und meines Alltags als Star zu sein. Ich verstehe ihn und bin ständig darauf bedacht, seinen Stolz nicht zu sehr zu verletzen, denn ich liebe ihn.
Ich verwöhne ihn sehr, jetzt, wo ich Geld habe. Er ist der Mann meines Lebens, da versteht sich das von selbst. Und auÃerdem neige ich dazu, mich sehr schnell schuldig zu fühlen. Einige aus meiner Familie und meinem
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