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Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Titel: Mademoiselle singt den Blues - mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Kaas
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in den Sand ein und komme nur langsam voran. Der Aufstieg dauert ewig, zumindest lang genug, um gleich hier ins nicht vorhandene Gras zu beißen! Jeder Schritt bringt mich der Heiligkeit näher, aber mit einem Umweg über den Tod. Anfangs wird mein Teint rosig von der Sonne. Nach zweihundert Metern wird er rot. Dann violett, und Cyril sieht mich ziemlich seltsam an, was mir fürchterlich auf den Geist geht. Wenn die Kamera nicht da wäre, würde ich ihn anbrüllen. Dann sehe ich den Gipfel, das Ende des Pilgerwegs, wo mich Gestalten erwarten. Ich habe die größte Lust, die da oben umzubringen. Der Erste, der mich auf meine Gesichtsfarbe, meine Langsamkeit oder meine klatschnassen Kleider anspricht, wird auf der Stelle massakriert.
    Die letzten Meter lege ich auf Knien zurück. Claude hat mich gebeten, auf dem Grab zusammenzubrechen, wenn ich oben ankomme. Ich täusche wirklich nichts vor. Ich breche
zusammen, strecke alle viere von mir. Ich bin so weit, dass ich nur noch streiken möchte. Und als der Regisseur auf mich zukommt, erdolche ich ihn mit Blicken. »Ach, du wolltest das wahre Leben? Ich wäre fast krepiert! Das ist es nämlich, was du für deinen Film willst, die Liveaufnahme meines Sterbens.« Er lacht nur, hochzufrieden über seinen Geniestreich. Ich bin so schwach und dehydriert, dass sie mich in einen klimatisierten Wagen schaffen. Dann helfen sie mir, meine Körpertemperatur und die Frequenz meines Herzschlags zu senken.
    Â 
    Jane geht es wirklich schlecht. Ich verbringe Stunden in der Maske, um ihr zerstörtes Gesicht anzunehmen, die dunklen Augenringe, den resignierten, verlorenen Blick. Man malt mir lauter kleine Äderchen, um das Durchscheinende dieser Frau zu betonen, die unter schlimmen Kopfschmerzen leidet. Ich habe ergreifende Szenen, die mich mit Jane verbinden. Ich weigere mich, die Muster anzusehen. Es ist schon schlimm genug, wenn ich mich im Spiegel betrachte … Das ist es, was Lelouch an mir einzufangen, auf den Film zu bannen versucht: der flüchtige Übergang von maßloser Traurigkeit zur Freude in meinen Augen. Ein rasches Umschlagen von Regen in Sonnenschein, von Schatten in Licht.
    Neben dem Galgenhügel muss ich auch noch ein paar weitere »schwierige« Szenen drehen. Insbesondere die Liebesszene. Mit meinem Partner habe ich überhaupt kein Problem, im Gegenteil. Jeremy Irons sieht gut aus, sein englischer Akzent ist bezaubernd und das Verhältnis zwischen uns eher gut. Da mir niemand gesagt hat, ob ich ihn wirklich küssen soll, beschließe ich für mich, dass dieser Kuss kein Filmkuss werden wird. Wo doch Lelouch immer Echtes von
uns verlangt … Und außerdem riskiere ich nichts. Die Gegenwart von Filmkameras hat auch gute Seiten … Gewissenhaft lutsche ich vorher ein Mentholbonbon, und los geht’s. Alles läuft wunderbar.
    Am Set herrscht beinahe Partyatmosphäre. Jeremy, der wirklich ein Allroundkünstler ist, hat seine Gitarre mitgebracht und beglückt uns abends mit Minikonzerten. Zwischen den Aufnahmen reden und scherzen wir untereinander. Mein Bruder Bruno ist da. Ich habe ihn und seine Frau nach Marokko eingeladen. Wenn ich von den langen Tagen am Set und im Sand nicht allzu fertig bin, verbringe ich wunderschöne Abende mit ihnen.
    Zu Jeremy habe ich ein gutes Verhältnis. Er hilft mir bei den Aufnahmen. Wenn ich an einer Stelle nicht weiterkomme, wenn ich nicht weiß, wie ich einen bestimmten Satz sprechen, eine bestimmte Situation spielen soll, gibt er mir Hilfestellungen. Wir sind Komplizen beim Ausgleich unserer Schwächen: seine Schwierigkeiten mit der französischen Sprache, meine Schwierigkeiten mit der Schauspielerei. Doch unser gutes Einvernehmen wird bald zum Gesprächsthema am Set.
    Â 
    Für das Fest zum Abschluss der Dreharbeiten habe ich mir eine Überraschung ausgedacht, eine augenzwinkernde Erinnerung an unsere Zeit in Marokko. Auf einer Art Fahrtenblatt habe ich den Weg skizziert und den Dresscode vorgegeben: Dschellaba für alle! Ich lade eine Gruppe ein, alte Freunde von mir, Les Cochons dans l’Espace  – Schweine im (Welt-) Raum  –, und frage sämtliche Mädchen im Team, ob sie nicht mit mir einen Bauchtanz einüben wollen. Anfangs sind sie einverstanden, aber eine nach der anderen lassen sie mich im Stich. Schließlich stehe ich allein da in meiner orientalischen
Aufmachung. Zum Glück bin ich

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