Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
der anderen: »Hätten sieâs lieber so oder so?«  â »Ist das eine oder das andere besser?«  â »Wie würde das wohl bei ihnen ankommen?« Eine Tortur, ein Geduldsspiel, selbst auferlegt, aus Liebe und aus Angst, das zu verlieren, was mir noch geblieben ist.
SchlieÃlich gefällt ihnen das Haus, das ich ausgesucht habe. Es gibt ein Hauptgebäude und mehrere kleine Bungalows, damit jeder für sich sein kann. Ganz anders als in der sehr fernen Zeit, als wir zu dritt in einem Zimmer schliefen. Aus demselben Grund habe ich ihnen mehrere Wagen zur Verfügung gestellt. Insgesamt scheinen sie sehr angetan von ihrem Aufenthalt. Und ich bin schrecklich aufgeregt und nervös, weil ich jetzt Gelegenheit habe, ihnen eine Freude zu machen. Einige erzählen mir von ihrer Anreise, vor allem vom Flug. Einige sind zum ersten Mal in ein Flugzeug gestiegen, haben zum ersten Mal die Erde als Landkarte gesehen und das Meer als Fleck. Sie waren zum ersten Mal in den Wolken. Es ist so schön, ihnen zuzuhören!
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Fast einen Monat lang kann ich nicht genug bekommen von ihrem Lächeln, ihren Freuden und dem Spaà an den gemeinsamen Ferien. Wir schneiden keine ernsten Themen an, führen keine vertraulichen Gespräche. Einer der Höhepunkte dieses
Aufenthalts war, dass wir alle in Quads stiegen, all die Kaasâ in einer langen Reihe, und unter Motorgeheul und in einer ockerfarbenen Staubwolke dahinjagten. Wir haben so gelacht! Und wir nutzen jeden Augenblick, wie er sich bietet, wir reden allen möglichen Unsinn und sitzen stundenlang beim Essen. Wir machen es uns zur Gewohnheit, uns am Spätnachmittag zum Aperitif auf der Terrasse zu versammeln und den Sonnenuntergang zu bewundern. Und wenn wir bei diesem von Nostalgie nicht freien Schauspiel einen Kloà in der Kehle bekommen, schweigen wir verständnisinnig. Bei uns behält man seine Gefühle für sich.
Wir trennen uns, es ist so weit. Eine Art unendlicher Traurigkeit hat sich meiner bemächtigt, ein Gefühl von Ende, von Unwiederbringlichkeit. Ich sollte mich mit dem gerade gemeinsam Erlebten zufriedengeben, mit unserem Zusammensein, damit, dass wir Zeit hatten, unsere gegenseitige Zuneigung zu spüren. Trotzdem, ich möchte mehr. Und vor allem hasse ich diesen heiklen Augenblick, in dem die Häuser sich am Ende der Ferien leeren, tröpfelnd, bis sie blutleer zurückbleiben, sauber bis in den letzten Winkel und nur noch von der Erinnerung an die Geräusche des Sommers erfülltâ¦
Als er ging, warf mir Bruno noch zu: »Ach, Patricia, falls Lelouch noch Komparsen braucht, du hast ja meine Telefonnummer â¦Â« Das habe ich nicht vergessen. Von jetzt an werden sich meine Brüder und meine Schwester vielleicht von mir helfen lassen, vielleicht darf ich ihnen jetzt einen Gefallen tun oder eine Freude machen.
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Filmszenen
Sie ist es, die mich heilen soll, sie und eine schwierige Pilgerreise zu einem Grab. Sie soll die Macht haben, das zu tun. Geheilt werden soll Jane, die ich in Claudes Film verkörpere. Sie ist krank, aber wenn sie imstande ist, die Prüfungen zu bestehen, wird sie wahrscheinlich überleben. Heute drehen wir die Szene bei der Heilerin. Ihr Blick ist nicht auszuhalten. Ich bin sehr beeindruckt, man sieht nur das WeiÃe in ihren Augen. Ich gebe zu, das jagt mir eine Heidenangst ein ⦠Sie hält mein Gesicht zwischen ihren Händen und starrt mich mit unglaublicher Intensität an, spricht in einer unbekannten Sprache zu mir, wiederholt kabbalistische Formeln und seltsame Wörter. Ich habe das überaus unangenehme Gefühl, dass sie besessen ist und vielleicht ansteckend, dass sie ein Loch in mich bohren will, um mehr zu sehen. Ihr Hexenkopf ist nur fünf Zentimeter von meinem entfernt, ich spüre ihren Atem, sehe in ihre verdrehten Augen. Ich habe die Anweisung, diesen durchdringenden Blick auszuhalten, ohne zu blinzeln, ohne mich zu beklagen. Mal sehen, ob ich es schaffe. Im Augenblick bin ich eher kurz davor schlappzumachen. Wir sind erst bei der zweiten Klappe, aber ich will keine dritte. Diese Frau, die gewaltsam meine Seele erforscht, bringt mich zu sehr aus der Fassung. Sie erinnert mich an den Arzt und Heiler, dem ich als Jugendliche begegnet bin und den ich später noch einmal aufsuchte, als Maman krank war.
Ich erinnere mich kaum noch an die Begegnungen mit
diesem Arzt, nur noch an die wenigen Minuten, in denen er
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