Madonna, ein Blonder!
sich gedreht hat?
» Hast du es mitgekriegt?«, frage ich in den Hörer. » Das waren meine Nachbarn.«
» Ach komm«, sagt Uli. Was muss ich ihr denn noch erzählen? Vielleicht dass neben meinem Haus ein merkwürdig rauchendes Atomkraftwerk steht?
»Ich beneide dich jedenfalls«, sagt Uli, » Rom ist doch super!«
» Na, wenn du das sagst«, seufze ich.
Che fai? Madonna, ein Radfahrer!
In dieser Nacht schlafe ich schon besser: Ich habe mir links und rechts ins Ohr jeweils ungefähr ein ganzes Papiertaschentuch gestopft, um den Straßenlärm zu dämpfen.
Als ich am nächsten Morgen barfuß über die auch im Hochsommer kalten Fliesen meiner Wohnung laufe, liegt im Flur ein Zettel, offenbar unter der Wohnungstür hindurchgeschoben.
» Liebster Martin, wenn du das Essen aus England vermisst, es gibt am Corso Vittorio Emanuele den Pub ›Beefeater‹«, lese ich. Und weiter steht da: » Tantissimi saluti«, und als Unterzeichner » Sgr. Lovello«.
Ich schüttle belustigt den Kopf. Die Lovellos sind genauso nett wie irre. Erst lassen sie ihren Hund auf mich los, und jetzt wollen sie mich noch allen Ernstes in einen Pub schicken, weil sie darauf fixiert sind, ich sei Engländer. Das kann ja was werden!
Statt ins » Beefeater« zieht es mich als Erstes ins » Papagallo«. Voller Stolz trage ich mein Fahrrad vom Balkon durchs Treppenhaus und auf die Straße. Was für ein Moment! Ich rolle die Straße hinunter zur Kreuzung vor dem » Papagallo« und fühle mich wunderbar frei. Frei von Bussen, von denen man nicht weiß, wann sie fahren, und vor allem frei von der Angst, beklaut zu werden. Und wieder ist der Himmel blau, und die Sonne taucht die Häuser in warmes Licht. Was hatte Uli gestern über das Wetter in München gesagt? Waren es 15 Grad und Regen? Oder 11 Grad?
Unten beim » Papagallo« ist der Verkehr auf der Kreuzung wieder zusammengebrochen. Wie immer stehen etliche Autos mit Warnblinkanlagen am Straßenrand, die Fahrer sind zum Frustkaffeesaufen in der Bar verschwunden. Es ist 10 Uhr, die gleiche Zeit, zu der ich am zweiten Tag Elisa hier getroffen habe.
Als ich die Bar betrete, erwartet mich zwar keine Elisa, aber immerhin Dino. Mit einem Blick, als käme ich von einem anderen Stern. Er legt die Handflächen zusammen und schüttelt sie wie in Gebetshaltung vor dem eigenen Bauch.
» Ma, ma, ma«, sagt er und macht mit dem Kinn zu dem dreimaligen tadelnden » Aber« eine Bewegung in Richtung meines Fahrrads, das ich draußen an eine Straßenlaterne gelehnt habe. » Du hast jetzt ein Fahrrad?«
Ich nicke stolz.
» Und was machst du mit dem?« Dino schaut skeptisch bis entgeistert.
» Die Stadt erkunden, zur Arbeit fahren.«
Dino fängt an zu grinsen und sagt mehr zu seinem Assistenten Giuliano als zu mir: » Durch die Stadt will er fahren…«
Scheint hierzulande nicht sonderlich populär zu sein, das Fahrradfahren. » Was ist denn daran so komisch?«
Dino schaut mich an, als sei ich über mein Blondsein hinaus ein totaler Freak: » Mein Sohn«, erklärt er, » man fährt in Rom nicht einfach so mit dem Rad herum… Fahrradfahren ist etwas sehr Persönliches.«
» Etwas Persönliches?«, frage ich verwundert.
Dino sagt nichts und überlegt weiter. » Anzi, mehr noch– etwas Politisches.«
Na, da schau her. Etwas Politisches? Ich kann mir vorstellen, dass es politisch ist, mit einem » Ich-liebe-den-Kommunismus«-T-Shirt herumzulaufen. Aber Fahrradfahren?
Doch Dino bleibt dabei und erklärt mit vollem Ernst, dass es drei Typen von Fahrradnutzern in Rom gebe. Die ersten seien arme Leute, » povera gente«, die sich kein Auto und nicht mal ein Motorino, also kein normales Verkehrsmittel leisten können; die zweiten stünden politisch links, » di sinistra«, und würden aus Protest das Fahrrad benutzen– wegen der Umwelt, aber vor allem gegen das Establishment. Und bei der dritten Gruppe handele es sich um die echten Fahrradfahrer, die es als Sport betreiben, die » leidenschaftlich und schnell« fahren würden. Behauptet Dino zumindest.
Ich will ihn schon fragen, ob er es ernst meint: Diese Horden zumeist grauhaariger Männer, die sich sonntagmorgens in eine nasageprüfte Rennradlerwurstpelle hineinzwängen und über die italienischen Landstraßen jagen? Das sollen die echten Fahrradfahrer sein? Doch da ich nicht weiß, ob er selbst vielleicht auch so einer ist, halte ich mich lieber diplomatisch zurück.
» Aber Dino, könnte es nicht sein, dass die unter der Woche mit ihrem Rad genauso ins
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