Madonna, ein Blonder!
neue Couch!«
Bestimmt: Was gibt es Schöneres, als eine einmal quer durch Italien gefahrene, alte und ungemütliche Couch!
Als Remo fährt, winken Luca und ich dem kleinen Lastwagen hinterher. » Das freut meine Tochter bestimmt«, murmelt Luca nochmals.
» Eeeh«, mache ich so neutral wie möglich, um nicht » Ja« oder » Nein« sagen zu müssen, und winke, bis Remo um die nächste Ecke verschwunden ist.
So doof die Couch war, so leer sieht die Wohnung ohne sie aus. Umso besser ist es, dass Dino heute morgen vorgeschlagen hat, abends etwas essen zu gehen. Er will in die Trattoria eines gewissen Leo, einem Freund von ihm.
Um 8 Uhr hole ich Dino vom » Papagallo« ab. Als er mich sieht, kommt er hinter dem Tresen hervor. Zum ersten Mal, seit wir uns kennenlernten, sehe ich, wie klein er eigentlich ist. Hinter der Theke muss sich eine mindestens 20 Zentimeter hohe Stufe befinden.
» Ciao, carissimo!« Dino hält seine rechte Hand auf Kopfhöhe, ich ziehe meine nach oben, und Dino schlägt mit mir ein– wir stehen da wie Tennisspieler, die sich nach dem Spiel über dem Netz die Hand geben. Nur dass Dino mich jetzt noch an sich zieht und mir links und rechts ein Bussi auf die Wange drückt. Wo gibt es in Deutschland Herren im Rentenalter, die wie Tennisspieler einschlagen und andere Männer auf die Wange küssen?
» Was schaust du denn so? So begrüßt man sich in Rom.« Dann mustert er meine Haare, stolz darüber, dieses Wunderwerk der Haarschneidekunst vermeintlich angeregt zu haben: » Molto bene. Molto, molto bene!« Und nach einem weiteren prüfenden Blick fügt er hinzu: » Wirklich sehr gut. Ich hab’s dir ja gesagt: Toni ist bravissimo .«
Ich wage es nicht, Dino zweifach anzulügen und zu sagen, dass ich weder bei Toni war noch die Frisur toll finde, sondern beschränke mich auf ein einfaches » Si«. Dino schlägt mir mit der flachen Hand auf die Schulter. » Andiamo«, gehen wir! Er scheint mich jetzt fast noch ein bisschen lieber zu mögen, habe ich den Eindruck. Mit italienischer Frisur und ohne Fahrrad.
Die Trattoria » Antiche Delizie« liegt nur drei Straßenecken weiter auf der Via Aurelia– die übrigens, wie mir Dino erklärt, bis zur italienisch-französischen Grenze bei Ventimiglia führt–, und das Lokal ist so klein oder so groß wie eine Doppelgarage. An die Wände sind drei größtformatige Darstellungen des qualmenden Vesuv geschraubt, der herunterblickt auf die an den Tischen sitzenden Gäste.
» Oohu!« Ein Mann kommt fröhlich lächelnd hinter der Kasse hervor. Das muss Leo, der Wirt, sein. Er geht auf Dino zu, ruft » Carissimo!«, während Dino mit dem Ausruf » Bellissimo!« antwortet.Ich schaue schmunzelnd zu. Liebster, Schönster, wo gibt’s das sonst? Selbst Jungverheiratete in Deutschland sprechen sich in der Öffentlichkeit nicht so zärtlich und überschwänglich an wie gestandene heterosexuelle Mannsbilder in Rom.
Auch Leo und Dino schlagen ganz selbstverständlich tennisspielermäßig ein und geben sich zwei laute Bussis auf die Wangen.
» Ich habe einen Freund mitgebracht«, sagt Dino und zeigt auf mich. Es wiederholt sich das Begrüßungsritual: Leo hält wieder seine Hand in die Luft, ich schlage ein, als wollten wir Armdrücken spielen, halte meine Wangen hin und bekomme von Leo zwei dicke, feuchte baci.
Dino streicht mir stolz über meinen fast kahl rasierten Kopf. » Ich habe ihn zu Toni geschickt.«
Leo– er trägt die gleiche Kiwifrisur wie Dino– ist begeistert. » Toni ist super.«
» Si«, bestätigt Dino.
Beide schauen mich auffordernd an. » Si, si«, sage ich schnell und nicke heftig mit dem Kopf.
Leo gibt uns einen Tisch unter einem dramatischen Bild, das den Vesuv bei einem spektakulären Ausbruch zeigt, im Vordergrund Menschen in Schiffen, die in Panik über den Golf von Neapel zu fliehen versuchen. Als wir Platz genommen haben, tritt er zu uns, knüllt die auf dem Tisch liegende Papiertischdecke zu einem kleinen Ball zusammen und breitet eine neue darüber. Er schaut uns fragend an und Dino sagt nur » Bianco« . Weiß.
Einen Moment später stehen zwei Gläser auf dem Tisch, dazu eine Blumenvasen-artige Karaffe mit hellgoldenem Weißwein.
» Frascati«, erklärt Dino und tippt ans Glas. Ich erfahre, dass die meisten Weine, die in Rom getrunken werden, aus Frascati stammen, einem kleinen Ort in den Castelli Romani, den Hügeln südlich von Rom, wo auch Castelgandolfo, die Sommerresidenz des Papstes, liegt. Ich trinke zwei große
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