Madonna, ein Blonder!
Schlucke: Der Wein ist eiskalt und gefährlich gut trinkbar.
Jetzt kommt Leo wieder an den Tisch, schaut fragend, und Dino sagt wieder nur ein Wort: » Pesce«, Fisch.
Mit nichts mehr als einem Benissimo ist Leo wieder weg, um sofort zurückzukehren mit den ersten vier Tellern, denen noch zwölf weitere folgen. CD -große Tellerchen mit eingelegten Sardellen, sauer eingelegtem Lachs, mit Tintenfischsalat, dünn geschnittenem Schwertfischfilet und Miesmuscheln. » Tischlein-deck-dich«-Prinzip hat das einmal jemand genannt. Dann kommen neue Tellerchen: Vongole in Knoblauchöl, zwei Austern, Calamari, frittierte Krabben, frittierter Stockfisch. Und wieder und wieder. Als ich gerade hoffe, dass Leo jetzt endlich die Rechnung bringt und ich meinen vollen Bauch ins Bett legen kann, sagt Dino: » Oohu!«
Leo schaut zu uns herüber, kommt her, und noch bevor ich Einspruch erheben kann, hat Dino für mich Spaghetti alle Vongole mit frischer Petersilie bestellt.
» Was ist das eigentlich für ein Laut, dieses ›Oohu‹?«
Dino macht abwertend » ts« und schüttelt den Kopf. In ungeschönter Offenheit erklärt er mir, dass ich im Grunde ein hoffnungsloser Fall sei, » mit blonden Haaren und Engelsgesicht« in Rom. Na danke! Das klingt ganz so wie Amadeo mit seinem » Martino, du bist-e fremd-e Körper-e«.
Dann lässt sich Dino aber trotzdem gnädig herab, mir zu erklären, dass man » Oohu« eigentlich immer sagen könne: » Mit ›Oohu‹ machst du die Leute auf dich aufmerksam. ›Oohu‹ heißt ›Pass auf‹.«
Ich sage leise: » Oohu!«
» Lauter.«
» Oohu!«
Leo schaut auf und begibt sich auf den Weg zu uns. » Die Römer sind ein sehr direktes Volk«, flüstert Dino mir zu, » jetzt pass mal auf.« Als Leo vor uns steht, sagt Dino: » Ich wollte dir nur sagen, dass die Calamari heute geschmeckt haben, als seien sie drei Wochen alt gewesen. Hast du die mal wieder auf dem Flohmarkt gekauft?« Dino zwinkert mir zu. Leo kontert: » Für dich immer nur das Schlechteste!« Man lacht und haut sich auf die Schulter. In Rom schließt man anscheinend Freundschaften, indem man sich gegenseitig zur Schnecke macht.
Laut Dino hätte Leo auch zwei andere Möglichkeiten gehabt, auf seinen Angriff zu reagieren: Die eine besteht darin, ein kurzes » Boh!« auszustoßen, was so viel bedeutet wie ein Schulterzucken und je nach Situation als » Keine Ahnung« oder » Egal« verstanden werden kann. » Boh!«, probiere ich. » Boh!«Ich mache Dino nach, breite die Arme aus, schiebe die Schultern nach oben, strecke das Kinn vor und setze ein gleichgültiges Gesicht auf:
» Boh!«
» Genau!« Dino amüsiert sich köstlich. Dann gibt es noch die zweite Möglichkeit: » Eeeh!«, mal kürzer, mal gedehnter. » Zum Beispiel«, sagt Dino, » du hast in zweiter Reihe geparkt, ein Polizist überlegt, ob er dir einen Strafzettel gibt. Er sagt: ›Man darf nicht in zweiter Reihe parken.‹ Du willst ihm signalisieren, dass du das zwar weißt und entsprechend schuldbewusst bist, dass die Situation jetzt aber nun mal so ist. Deshalb machst du einfach nur › Eeeeeeh‹.« Wieder breitet Dino die Arme aus, zieht die Schultern hoch, schiebt sein Kinn nach vorne und gibt ein langes » Eeeeeeh« von sich. Ich mache es nach: » Eeeeeeh!« Dino lacht wieder. » Wichtig ist, beides nicht zu verwechseln. Beim Polizisten darfst du nie ›Boh!‹ sagen, denn das wäre fast eine Beleidigung.« » Boh« klingt eben nach » Ist mir scheißegal«.
Leo bringt eine Kunstledermappe, darin die Rechnung. Die Zahl 42,00 ist durchgestrichen, Dino deutet zufrieden auf die darunterstehende Zahl 40,00 Euro. » Das, mein Lieber, ist ein sconto «, sagt er zufrieden und bestimmt dann, dass jeder von uns die Hälfte in die Kunstledermappe legen soll.
» In Rom«, doziert Dino, » teilt man die Rechung immer durch die Anzahl der Personen am Tisch– egal ob einer mehr oder weniger als die anderen gegessen hat.« Pagare alla Romana heiße das, also bezahlen nach römischer Art, und sei » gelebter Kommunismus«. Bevor Dino seine 20 Euro reinlegen kann, schnappe ich mir die Rechnung, lege 40 Euro hinein und halte sie Leo hin.
Dino beschwert sich, er habe mir doch gerade erklärt, wie man das in Rom mit dem Bezahlen halte und dass jeder von uns doch…
Ich breite die Arme aus, schiebe die Schultern nach oben und strecke das Kinn nach vorne:
» Boh!«
Che bella! Heldentaten für Elisa
Am nächsten Morgen, es ist Sonntag, stehe ich vor der Tür des einzigen
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